Die Patientenzahlen steigen – auch in der Notaufnahme des Helios Klinikums Niederberg. Verband der Ersatzkassen schlägt „Portalpraxen“ zur Steuerung vor.
- Patientenzahl ist in den vergangenen Jahre von 18 000 auf 23 000 gestiegen
- Oberärztin sieht unter anderem Verunsicherung und Druck aus der Arbeitswelt als Gründe
- Verband der Ersatzkassen, Kassenärztliche Vereinigung und Klinikum Niederberg wollen Information verbessern
Ein Drittel aller Menschen, die in Deutschland die Notaufnahmen von Krankenhäusern aufsuchen, könnten auch von niedergelassenen Ärzten behandelt werden. Das berichtet der Verband der Ersatzkassen (Vdek). Derzeit suchten bundesweit 25 Millionen Menschen im Jahr eine Notaufnahme auf, Tendenz steigend. Auch im Helios Klinikum Niederberg wächst die Zahl der Notfallpatienten, berichtet Oberärztin Katja Schwarzkopf, kommissarische Leiterin der Notaufnahme. Vor Eröffnung der neuen Notaufnahme 2011 habe man jährlich 18 000 Menschen behandeln müssen, mittlerweile seien es 23 000 pro Jahr. „Und wir rechnen weiter mit steigenden Zahlen, weil die Bevölkerung immer älter wird“, sagt Schwarzkopf.
Mehrstufiges Diagnose-Modell
Dass viele Patienten die Notaufnahme nicht unbedingt aufsuchen müssten, sieht sie zwar auch so, stellt aber klar: „Wir schicken niemanden weg.“ Das Personal beurteile die Patienten nach einem mehrstufigen Erstdiagnose-Modell, dringende Fälle würden vorgezogen. Die anderen können im großen Wartebereich auf einer Tafel verfolgen, wie viele Patienten vor ihnen an der Reihe sind. An diesem Morgen ist noch nicht viel los, nur eine Hand voll Patienten muss behandelt werden. „Im Winter werden es mehr, da kommen die Unfallpatienten und andere Fälle“, sagt Schwarzkopf. Manchmal bilde sich sogar eine lange Schlange.
Dass die Patientenzahlen derart in die Höhe schnellen, habe auch mit den neuen Informationsmöglichkeiten zu tun: „Viele Menschen sind durch das Internet verunsichert“, sagt Schwarzkopf. Da werden Symptome gegoogelt und schnell das Schlimmste vermutet. Auch die Anwendung von Hausmitteln gehe zurück. „Bei einer Magen-Darm-Erkrankung helfen meist Bett, Tee und leichte Kost“, sagt die Ärztin. Die Klinik versuche, mit Informationsveranstaltungen gegenzusteuern. „Das wollen wir auch noch weiter ausbauen“, so Schwarzkopf.
Ein weiteres Problem sei der steigende Druck in der Arbeitswelt. Viele Patienten kämen eher abends in die Notaufnahme, anstatt tagsüber zum Arzt zu gehen und dann bei der Arbeit zu fehlen.
Und schließlich seien vielen Patienten die unterschiedlichen Möglichkeiten der Notfallannahme nicht klar. Denn neben der Notaufnahme im Krankenhaus, die vor allem bei schweren Unfällen oder Verdacht auf Schlaganfall oder Herzinfarkt erste Anlaufstelle sei, gebe es ja den kassenärztlichen Notdienst, der sich im Klinikum direkt nebenan befindet. Der sei zum Beispiel bei Grippe oder Krankschreibungen die bessere Anlaufstelle. Auch der Hausarzt sei meist ein guter Ansprechpartner. „Er kann ja entscheiden, ob ein Patient zum Facharzt oder auch ins Krankenhaus muss“, so Schwarzkopf.
Vdek-Vorstandschefin Ulrike Elsner denkt in eine ähnliche Richtung, wenn sie fordert: „Wir brauchen transparentere Strukturen in der Notfallversorgung.“ Der Verband schlägt die Einrichtung von „Portalpraxen“ in den Krankenhäusern vor. Dort soll es eine feste Anlaufstelle für Notfallpatienten und eine ambulante Notdienstpraxis geben. Nach einer Erstbegutachtung sollen Patienten in die niedergelassene Arztpraxis weitergeleitet werden, während diese Sprechstunde hat, in die ambulante Notdienstpraxis im Krankenhaus oder die Notaufnahme. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) begrüßt das grundsätzlich. So könne man Kosten senken, sagt der Bundesvorsitzende Andreas Gassen. Die Krankenhäuser dürften die Notaufnahmen aber nicht dazu benutzen, leere Betten zu füllen. Portalpraxen müssten mit jedem Krankenhaus einzeln vereinbart werden – da gebe es noch viele offene Fragen, ergänzt Peter Potthoff, Vorsitzender der KV Nordrhein.
„Portalpraxen sind eine gute Idee“, findet auch Katja Schwarzkopf. Und einer vollen Notaufnahme kann sie auch etwas Positives abgewinnen: „Gute Kliniken werden immer Wartezeiten haben.“