Neviges. . Der Familienbetrieb „Schreibwaren Engelhardt“ an der Wilhelmstraße musste wegen fehlender Umsätze nach 53 Jahren schließen. Die Druckerei führt Herbert Engelhardt-Hain weiter.

Fast auf den Tag genau 53 Jahre ist es her, da krempelte ein junges Geschäfts-Ehepaar aus Bayern in der Wilhelmstraße 11 voller Tatendrang die Ärmel hoch. „Der 1. Juli 1963, das war für unsere Familie ein Freudentag. Was waren wir stolz damals“, sagt Elisabeth Engelhardt, und ihre herrlich jungen Augen blitzen. An jenem Tag eröffnete das gleichnamige Traditionsgeschäft für Schreibwaren samt angrenzender Druckerei. Die Druckerei bleibt bestehen, der Laden ist seit dem 14. Mai Geschichte.

„Das hier, das ist mein Lebenswerk“, sagt Elisabeth Engelhardt und lässt ihren Blick über die halbvollen, einfach traurig anzusehenden Regale schweifen. Wann genau der Restposten-Verkauf über die Bühne geht, ist noch nicht klar. Ein paar Leitz-Ordner stehen neben dem guten, alten „Zeugnis-Dokumenten-Buch“, eine Etage tiefer stapeln sich „Mietbücher“ mit Vordrucken für Mietverträge, gegenüber Schultüten, mit rosa Glitzer und Federtütü für Mädchen und Rennautos für Jungs.

Eltern gaben früher hier Listen ab

„Früher war hier alles proppenvoll“, sagt Elisabeth Engelhardt fast ein wenig entschuldigend. Und dass der Tisch mit den Kästen voller Buntstiften und Klebestiften so schief mitten im Laden steht, nein, das geht nicht. „Herbert, das sieht nicht aus, fass mal mit an.“ Sohn Herbert (65), der nebenan die väterliche Druckerei weiterführt, holt tief Luft: „Mutter, für wen?“

In der Druckerei ist Beratung weiterhin Trumpf

Alle vier Kinder der Familie und auch einige Enkel haben sich über Jahrzehnte in das Geschäft und den Druckereibetrieb eingebracht. Sohn Rudi starb 1999 nach einem Herzinfarkt.

Druckermeister Herbert Engelhardt-Hain stellt vom Flyer bis zu Hochzeitseinladungen das gesamte Repertoire her: Info unter 02053/92 31 83 oder auf www.engelhardt-druck-com

Ja, früher – da kam man in Neviges gar nicht auf die Idee, Hefte, Füller und Tornister woanders zu kaufen. „Die Mütter gaben uns Anfang des Schuljahres die Liste der Schule mit, was alles gebraucht wurde, und wir haben das dann besorgt“ , erinnert sich die Senior-Chefin. Generationen von Schülern wurden hier mit Tornistern ausgerüstet, vor allem wegen der guten Beratung. „Die Hersteller haben uns ja extra geschult, damit die Kinder keine Haltungsschäden bekamen“, so die Senior-Chefin. Und sie haben diese Beratung gut gemacht, wie das einsam an der Wand hängende Zertifikat des „Bundesverbandes Bürowirtschaft“ ihnen noch im August 2010 bescheinigt. Ja, die tolle Beratung, die haben hier alle geschätzt. Gekauft wurde in den letzten fünf Jahren, so mutmaßt Sohn Herbert, dann zunehmend im Internet – einige treue Stammkunden ausgenommen.

Auch bei Stammkunden flossen beim Abschied Tränen

„Die Kinder konnten hier alle Modelle ausprobieren, damit im Laden herumlaufen. Aber viele Leute ließen sich auch alles zeigen und kamen dann nicht wieder“, erzählt die Seniorin traurig. Eine Erfahrung, die auch Druckermeister Herbert Engelhardt-Hain im Betrieb nebenan macht: „Ich berate wirklich gern und intensiv. Aber wenn ich merke, da will jemand nur den Service mitnehmen und kauft dann woanders, blocke ich ab und hab auch mal keine Zeit.“

Viel Zeit hatten die Kunden am 14. Mai mitgebracht, als sie sich mit Blumen, warmen Worten und der ein oder anderen Träne von Elisabeth Engelhardt und Schwiegertochter Daniela, die das Geschäft ab 2008 geführt hatte, verabschiedeten. Ja, Kunden kamen und gingen in den 53 Jahren und viele haben den gemütlichen Laden mit den kleinen Wimpeln im Fenster und seinen liebenswerten Inhabern nie ganz vergessen. So erinnert sich die Senior-Chefin: „Es kam mal ein hochaufgeschossener Mann Mitte Dreißig zur Tür herein und sagte: Frau Engelhardt, kennen Sie mich noch? Ich bin der mit den kalten Händen, die Sie immer gewärmt haben.“

Firmengründer Ludwig Engelhardt, der 2001 verstarb, hatte 1963 nicht nur eine moderne Druckerei aufgezogen, sondern 1970 auch das Mitteilungsblatt „Anzeigen-Express“ herausgegeben.