Neviges. . Bei den Bauarbeiten an der mittelalterlichen Wehranlage Schloss Hardenberg stieß ein Baggerfahrer auf ein bisher unentdecktes Gewölbe. Burgenforscher Dr. Joachim Zeune und sein Team sind begeistert.
Es war kurz vor 16 Uhr, als es auf der westlichen Seite der mittelalterlichen Wallanlagen am Schloss Hardenberg hieß: Sofort das Baggern einstellen. Nicht etwa, weil in einer Stunde der Feierabend vor der Tür stand – vielmehr hatte der Baggerfahrer etwas entdeckt, was ihm „spanisch“ vorkam. Sofort wurde Burgenforscher Dr. Joachim Zeune hinzugezogen, der glücklicherweise gerade auf seiner Lieblingsbaustelle weilte. „Da war ein Schacht, der war uns vorher unbekannt“, sagt der Archäologe und zeigt auf ein etwa zwei Quadratmeter großes Areal, das sein Mitarbeiter Thomas Starke gerade vorsichtig mit Kelle und Handfeger bearbeitet. Vor Überraschungen ist man auf dieser spannenden Baustelle nie sicher.
Gewölbe wird genau dokumentiert
Ursprünglich sollte das Herrenhaus saniert werden
Im Jahr 2006 wurde in einem ersten Gutachten ersichtlich, dass die mittelalterliche Wehranlage des Schlosses Hardenberg weitaus wertvoller ist als das Herrenhaus: Man disponierte um.
Nach einem zweiten Gutachten wurde 2012 ein Sanierungskonzept erstellt. Die Kosten in Höhe von 1,5 Millionen Euro teilen sich Bund und Land. 2013 begann die Planungsphase.
„Es handelt sich um ein sehr großes Lagergewölbe“, erklärt Dr. Joachim Zeune, der einen Tag nach der Entdeckung mit seinem Team in den freigelegten Schacht einstieg. Nun wird das Gewölbe genau dokumentiert, jede Kleinigkeit wird festgehalten. Klar ist bisher: Das Gewölbe entstand um 1540 und wurde beidseitig durch Schachtfenster belüftet und belichtet. „Der unabdingliche Wasserdurchlass, den wir zuerst vermuteten, dürfte sich wohl weiter im Norden befunden haben“, erläutert der Burgenforscher weiter. Diese vorerst letzte Entdeckung zeige einmal mehr, welch ein Schatz sich in Neviges befinde: „Das ist ein absoluter Hochkaräter, bundesweit kenne ich nichts Vergleichbares“, schwärmt Dr. Zeune. „Aus einer stinknormalen Artilleriebefestigung mit diesem Kunstgriff eine Kleinfestung zu schaffen, das gibt es kein zweites Mal in Deutschland.“ Jener „Kunstgriff“ bestehe darin, den Wehrgang zu überwölben und Tunnel zu schaffen.
Drei Jahre lang bestand die Baustelle, in rund zwei Monaten sollen alle Arbeiten fertig sein. „Wir sind im letzten Bauabschnitt“, so der Burgenforscher aus Bayern. Die Baurampe wird nach und nach abgebaut; bei der nördlichen Wallanlage fehlt nur noch die Begrünung.
Die Mauerkrone, die Stein auf Stein in Handarbeit von den Arbeitern der Erfurter Spezialfirma Pressbau erstellt wurde, bleibt übrigens unregelmäßig und zackig. Eben, um den Originalzustand wiederzugeben. Eine Herausforderung bei dieser Konstruktion: „Das Wasser muss abfließen können, das hinzubekommen, ist nicht ganz einfach.“ Und wichtig angesichts der letzten Regentage.
Drei von insgesamt acht Treppen haben die Arbeiter in mühevoller Arbeit freigelegt. Zwei der vier unterirdischen Gänge werden der Öffentlichkeit zugänglich sein, die anderen beiden Kasematten bleiben für die Fledermäuse reserviert.
„Drei von vier Türmen haben wir erschlossen, jeder hat drei Schießscharten“, erzählt Dr. Zeune bei dem Rundgang durch seine erklärte Lieblingsbaustelle und eilt schnellen Schrittes in Richtung Südost-Turm. Hier laufen die Arbeiten auf Hochtouren – nachdem in den letzten Monaten von Popcorn-Tüten bis zu alten Fahrradteilen Berge von Müll aus den mittelalterlichen Gemäuern entfernt werden mussten. Es hämmert in dem düsteren Rund, eine der drei Schießscharten ist bereits freigelegt, zwei sind noch vermauert. „Da gucken wir mal, was wir machen. Erstmal war es wichtig, alles statisch zu sichern.“
Wenn in etwa zwei Monaten diese Baustelle Geschichte ist, hat der renommierte Burgenforscher nur einen Wunsch: Dass auch die Bürger den Wert dieses besonderen Zeugnisses mittelalterlicher Geschichte verstehen. So sei eine entsprechende Beschilderung unerlässlich. Und so spannend und beglückend die Arbeit für ihn und sein Archäologen-Team in den letzten drei Jahren auch gewesen sei – das I-Tüpfelchen wäre jetzt noch eine angemessene Erschließung: „Das hier ist ein Hochkaräter. Aber er erklärt sich nicht von selbst.“