Neviges. . Die evangelisch-reformierte Kirchengemeinde Neviges bietet fast ihre gesamten Immobilien zum Kauf an. Unangetastet bleiben Stadtkirche und Kindergarten.

Das Thema, so weiß Pfarrer Detlef Gruber, ist brisant und hoch emotional. „Das sind nicht einfach nur Häuser. Es geht um Heimat und es tut immer weh, ein Stück Heimat zu verlieren.“ Die Frage ist nur, ob dieses „Stück Heimat“ für die Mitglieder der evangelisch-reformierten Kirche im Siepen oder in Neviges-Stadt verloren geht. Fakt ist: Die Kirche bietet fast alle Immobilien zum Kauf an. Unangetastet bleiben lediglich die Stadtkirche, der Kindergarten und die Friedhofsgärtnerei. Darüber informierte das Presbyterium bei der Gemeindeversammlung im Siepen. Diskussionsstoff gab es genug.

Großes Haushaltsloch seit Jahren

„Überall ist Sanierungsbedarf, wir müssen handeln“, stellte Pfarrer Detlef Gruber zu Anfang klar. Nur fehlt dazu das nötige Geld. „Machen wir so weiter, sind in drei Jahren unsere Rücklagen weg.“ Dies hänge nicht mit der Sanierung der Stadtkirche zusammen, betonte Finanzkirchmeister Jörg Sindt. Man organisiere wohl Spendenaktionen, nehme aber kein Geld aus der Kasse. „Dieses Haushaltsloch ist seit Jahren entstanden, verursacht auch durch Mitgliederschwund.“

Die Idee, fast alle Gebäude auf dem freien Markt anzubieten, wurde bereits dem Superintendenten vorgestellt. Dabei ist jene „Variante vier“, wie es Baukirchmeister Olaf Braß nennt, ein wenig aus der Not geboren: Ursprüngliche Planungen, das sanierungsbedürftige Gemeindehaus an der Siebeneicker Straße nebst angrenzendem Wohnhaus abzureißen und dort einen modernen Gemeindesaal zu bauen, hat das „Amt für Denkmalpflege im Rheinland des Landschaftsverbandes Rheinland“, durchkreuzt. Beide Gebäude an der Siebeneicker Straße, so signalisierte das LVR-Amt, werden bald auf der Denkmalliste stehen. Widerspruch sei möglich, aber angesichts der Erfahrungen, die die Stadt gerade beim Thema Stadthalle mit dem LVR-Amt für Denkmalpflege mache, sieht das Presbyterium wenig Spielraum. „Denkmalschutz ist etwas ganz Hohes und Heiliges“, bemerkte die stellvertretende Baumeisterin Regine Höller.

Kein Umbau zur Kirchhalle

Ähnlich sieht es mit einem in Erwägung gezogenen Abriss des alten Pfarrhauses auf dem Pastoratsberg aus. Wenn man hier einen Abrissantrag stelle, habe man auch gleich das LVR-Amt auf der Matte stehen, so die Befürchtung. Auf dem Pastoratsberg ein neues Gemeindehaus zu bauen, stieß jedoch auch bei einigen Mitgliedern auf wenig Zustimmung: Vor allem für ältere Leute sei der Weg hinauf beschwerlich.

Eine weitere denkbare Variante: Die Kirche im Siepen umzubauen zu einer „Kirchhalle“, die als Ort für Gottesdienste und auch als Gemeinderaum dienen könnte. Das jetzige Gemeindehaus im Siepen, so ein weiterer Plan, könne man dann zu Wohnungen umbauen. Doch grau ist alle Theorie. „Im Bau-Ausschuss sagte man uns schon, dass ein Umbau nicht so einfach wäre“, erklärt Olaf Braß.

Bleibt also die Variante, alle Häuser zum Verkauf anzubieten, „um überhaupt zu sehen, was möglich ist“, meint Regine Höller. Besonders bei einer Vermarktung des alten Pfarrhauses sehe man da gute Chancen. Alle Gebäude werden jetzt geschätzt, findet sich zum Beispiel ein Käufer für die Kirche im Siepen, könnte das Gotteshaus entweiht und anderweitig genutzt werden. Ein Gedanke, der einem Mitglied überhaupt nicht gefiel: „Ich lebe hier seit 45 Jahren, meine Kinder sind hier getauft und möchten hier einmal heiraten. Ich bin fest überzeugt, hier im Siepen gibt es mehr Gemeindeleben als in der Stadt.“ Gemurmel im Saal, Unmut kommt auf. Pfarrer Detlef Gruber versucht zu beschwichtigen: „Wir bieten doch überall unsere Häuser an, auch in Neviges-Stadt.“ Und er weiß: „Tränen werden auf allen Seiten rollen“. Sabine Mosberger, Küsterin im Siepen, sieht in den Verkaufsplänen auch eine Chance: „Wir müssen uns jetzt an die Hand nehmen und aufeinander zugehen, und zwar als eine Gemeinde.“