Sprockhövel. Im Stadtteil-Check Sprockhövel geben Herzkamper ihrem Dorf einige Bestnoten. In der Nachbarschaft macht sich der Frust mit schlechten Noten Luft.

Mit Spannung wurden die Ergebnisse des Stadtteil-Checks für Sprockhövel erwartet, die jetzt vorliegen. Die Teilnehmer unter den Lesern haben mit einer Gesamtnote von 1,43 Gennebreck auf den Spitzenplatz gewählt. Auf den folgenden Plätzen finden sich Niederstüter, Hiddinghausen, Niedersprockhövel und Haßlinghausen. Auch wenn die einzelnen Gesamtnoten nicht sehr weit auseinanderliegen, so haben die Sprockhöveler mit Obersprockhövel (2,42) auch einen Letztplatzierten gewählt.

Schwache Infrastruktur in Obersprockhövel

Familie Högener lebt seit sieben Jahren in Obersprockhövel, von ihrem Haus aus öffnet sich der Blick in endlose grüne Weiten. „Wir sind ganz bewusst damals in die Pötingstraße gezogen, weil wir mit unseren Kindern einfach ländlich wohnen wollten“, sagt Stefanie Högener. Dass die 37 Teilnehmer des Stadtteil-Checks für Obersprockhövel für die verschiedenen Bereiche überwiegend Noten im Vierer- und Fünfer-Bereich vergeben haben, erstaunt sie eigentlich nicht. „Es gibt nicht viel hier, was die meisten als Infrastruktur für unabdingbar halten.“ Außer dem Sportplatz des SC Obersprockhövel gebe es keine Freizeiteinrichtungen, auch könne sie die beiden fünf und zwölf Jahre alten Kinder nicht einfach vor die Tür schicken. „Auf der Haßlinghauser und der Schevener Straße rasen sie Autos oft extrem, da muss man Angst haben“, sagt sie.

Junge Familien genießen die Ruhe

Stadtteil-Analyse_von Sprockhövel.
Stadtteil-Analyse_von Sprockhövel. © funkegrafik nrw | Marc Büttner

Die 43-jährige Stefanie Högener sieht die Existenz ihrer Familie im Stadtteil differenziert: „Wir sind jung und motorisiert, können die guten Seiten der Idylle hier mit den Möglichkeiten in Niedersprockhövel, Haßlinghausen oder den nahen Großstädten gut verknüpfen.“ Anders sei das jedoch für die Älteren: Denen genüge ein erreichbares Restaurant eben nicht, und die Themen medizinische Versorgung, Einkaufen und Nahverkehr würden völlig zurecht mit Mangelhaft bewertet. „Hier praktiziert kein Arzt, und zum Einkaufen gibt es nur Hofläden und keine Vollsortimenter.“ Und wenn die Töchter in der Schule mal zur zweiten Stunde kommen sollen, gibt es am Vormittag keine Busverbindung.

Damit Obersprockhövel nicht völlig abgekoppelt wird vom Rest der Welt, fordert Stefanie Högener die Politik auf, Internet verfügbar zu machen. „Homeoffice ist da schon eine Herausforderung und Serien in Netflix konnten wir hier noch nie schauen.“

Gennebreck ist auf gutem Stand

Während von den Teilnehmern des Checks in Obersprockhövel selbst die Gemeinschaft im Stadtteil mit einer mittelmäßigen Note bedacht wird, bekommt der Zusammenhalt der Dorfgemeinschaft in Gennebreck mit 1,5 ein regelrechtes Prädikat. „Wir sind auf einem guten Stand“ wertet Gerlinde Honke-Feuerstack. „Aber alles ist ausbaufähig.“ Die Rentnerin lebt seit 30 Jahren in Gennebreck und zählt dort zu den engagierten Einwohnern. Sie kann die besonders gute Benotung zum Teil nachvollziehen. „Wir leben sicher hier und sauber ist es auch.“ Wer Freude habe an einer grünen Umgebung – und die habe sie als passionierte Wanderin –, fühle sich bestimmt wohl, „wer Rummel braucht, wird den Standort eher kritisieren“, sagt sie.

Für ein Dorf kann es kein Vollsortiment geben

Grundsätzlich sei alles an Angeboten in einem Dorf wie Gennebreck kleiner und weniger als etwa in Haßlinghausen und Niedersprockhövel, vom nah gelegenen Wuppertal ganz zu schweigen. „Wir haben nur wenige Parkplätze und nur einen Spielplatz unmittelbar an der Kirche. Der ist für meine dreijährige Enkelin weniger geeignet als für größere Kinder, aber immerhin haben wir einen!“ Die 23 Teilnehmer am Stadtteil-Check Gennebreck kritisieren, dass es keinen Laden zum Einkaufen gibt. „Kann ich nicht teilen“, sagt Gerlinde Honke-Feuerstack. „Was erwarten wir denn? Für die paar Einwohner ein preiswertes Angebot?“ Die Gennebreckerin ärgert sich hingegen über die Politik, der sie eine deutlich schlechtere Note geben würde als die 3,24. „Im Rathaus kennt man uns nicht, und auch unsere hier lebenden Kommunalpolitiker kümmern sich nicht. Man muss sich bewusst machen: Alles, was du willst, musst du dir selbst erkämpfen!“

INFO
Der Stadtteil-Check soll ein Stimmungsbild wiedergeben, das unsere Redaktion analysiert. Laut Dr. Ana Moya, die für die Auswertung zuständige Statistik-Expertin der Funke Mediengruppe, funktioniert das: „Der Stadtteil-Check liefert wegen der großen Beteiligung ein gutes Stimmungsbild. Es wurde darauf geachtet, dass in jedem Stadtteil eine ausreichende Teilnehmerzahl erreicht wurde, um aufschlussreiche Aussagen treffen zu können“.

Die Umfrage ist nach wissenschaftlichen Maßstäben nicht repräsentativ, weil die Teilnehmer nicht gezielt nach sozio-demografischen Merkmalen ausgewählt wurden. Stattdessen konnte jeder Interessierte mitmachen.

Ana Moya vermutet, dass unter den Teilnehmern jene in der Mehrzahl waren, für die ihr Stadtteil eine eher wichtige Bedeutung hat. In diesem Fall fiele das Zeugnis bei einer repräsentativen Befragung wohl alles in allem anders aus als beim Stadtteil-Check.