Vor 15 Jahren kämpfte ganz Sprockhövel um den Erhalt von Arbeitsplätzen beim Bergbauzulieferer Hausherr. Der Rat bat in einer Sondersitzung Banken und Anteilseigener 1993 um finanzielle Hilfen

Im Sog des Zechensterbens gerieten in den 80-er und 90-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts auch zahlreiche Bergbauzulieferbetriebe in unruhiges Fahrwasser. In Sprockhövel gab es gleich mehrere davon. "Hausherr & Söhne" gehörte auch dazu.

"Es war ein unruhiger Sommer und ein heißer Herbst, damals, 1993", erinnern sich vor allem die älteren Bürger der Stadt. Das Traditionsunternehmen "Hausherr & Söhne", einer der größten Arbeitgeber im Ort, steuerte - nach Fehleinschätzungen und Versäumnissen in der Vergangenheit - dem sicheren Konkurs entgegen. Aufbäumen und Kampf der Belegschaft währten ein halbes Jahr. Noch vor Weihnachten war die Fabrik zu. Die Menschen arbeitslos. Insgesamt kostete die Krise der Bergbauzulieferer in diesen Jahren etwa 1200 Arbeitsplätze allein in Sprockhövel. Nur wenige Firmen haben den Sprung ins Technologie- und EDV-Zeitalter geschafft.

"Hausherr" ging 1918 aus der "Märkischen Bohrmaschinenfabrik, Gebrüder Hausherr" hervor. Die nahezu ausschließliche Spezialisierung auf den Bergbau wurde dem Familienbetrieb 70 Jahre später zum Verhängnis. In Spitzenzeiten beschäftigte das Unternehmen knapp 600 Männer und Frauen unmittelbar und weiteren gab es über Aufträge Arbeit. "Ich kenne viele noch aus meiner Schulzeit. Das war damals eine klare Sache. Sie wussten, wenn sie zu Hausherr oder Düsterloh in die Lehre gehen, dann ist das genauso sicher wie bei der Post.

Als es dann kriselte, haben wir frühzeitig versucht, ähnliche Firmen zu Kooperationen zu bewegen, doch das wollten die nicht. In den Familien der entlassenen Arbeiter spielten sich Tragödien ab. Bis zum Schluss haben sie an die Rettung geglaubt", erinnert sich der heutige Bürgermeister Dr. Klaus Walterscheid. Er war damals Vorsitzender des Beirats für Wirtschaftsförderung und holte Landes- und Bundespolitiker im Kampf um Hausherr ins Boot. "Zuletzt waren noch 230 Arbeitnehmer in Lohn und Brot", sagt mit Wehmut der damalige Betriebsratsvorsitzende, Wolfgang Scheid. 22 Jahre hielt er dem Betrieb die Treue, andere noch länger. Als die Geschäftsführung im Juli 1993 die Umsatzerwartung fürs laufende Jahr um 20% nach unten korrigierte, war sich kaum einer der Ernsthaftigkeit der Lage bewusst. Doch es kam noch schlimmer. Schon im September sollten bis zu 60 Arbeitsplätze in dem Betrieb mit den höchsten Löhnen und den besten Sozialleistungen in der Region abgebaut werden.

"Die Auftragslage war aus meiner Sicht gut. Die Firma hat sich rechtzeitig auf die sinkende Inlandsnachfrage eingestellt. Lukrative Aufträge aus Polen und Russland scheiterten aber an den unter Kanzler Kohl abgeschafften Hermes-Bürgschaften. Neue Produkte und neue Maschinen waren vorhanden. Die Zusagen an die Pensionäre haben aber schon ein Vermögen gekostet. Wie sollten bei 70 Millionen D-Mark Umsatz 100 Millionen Rückstellungen für die Renten gebildet werden? Den Knack hat die Firma mit dem Unfalltod von Aufsichtsrat Dr. Baumeister schon um 1980 bekommen. Der war immer vor Ort. Was nach ihm kam, war an Hausherr weniger interessiert", davon ist Scheid auch heute noch überzeugt. "Es waren vor allem die Rückstellungen für die Betriebsrenten", stimmt ihm Georg Dessel, der letzte Aufsichtsratschef, zu. "Als ich 1990 dazu kam, war der Zug bereits abgefahren. Die Hydrauliksparte war völlig am Markt vorbei konzipiert. Bei jedem verkauften Zylinder haben wir 1000 Mark dazu getan. Die Produktpalette war nicht mehr zeitgemäß. Die Bestellungen gingen rapide zurück. Die Eigentümerfamilien Hausherr und Zimmermann haben solange es noch ging sogar private Mittel in Millionenhöhe reingebuttert, doch irgendwann ging das nicht mehr. Heute noch zahlt die Familie für Betriebsrenten aus privatem Vermögen dazu. Die Banken spielten damals auch nicht mit. Der Gang zum Konkursrichter ist mir wirklich nicht leicht gefallen", so Dipl.-Ingenieur Dessel, der damals auch Chef des Märkischen Arbeitgeberverbandes war.

Bevor am 25. November 1993 das Konkursverfahren endgültig eröffnet wurde, erlebte Sprockhövel eine nie erwartete Solidaritätswelle. Demonstrationen, Fackelzüge und Werksbesetzungen, Benefizkonzerte und konzertierte Aktionen aller Parteien und gesellschaftlichen Schichten wechselten sich ab. Eine ganze Stadt im Kampf um Arbeitsplätze. Anne Berkemann hat 1966 bei Hausherr angefangen und kämpfte bis zum Schluss mit: "Wir haben damals mit über 50 Leuten sogar die Westfalenbank in Bochum so lange besetzt, bis die mit einer Delegation von uns reden wollten. Hat aber nichts gebracht. An der Granddame, Erika Hausherr-Zimmermann, hat es nicht gelegen. Die war sozial eingestellt. Wenigstens haben die Sparkasse und die Volksbank in Sprockhövel zu uns gehalten. Die haben bei den Beschäftigten auf Überziehungszinsen verzichtet. So konnten wir Weihnachtsgeschenke für die Kinder kaufen." Gehalt wurde ab Oktober nicht mehr gezahlt. Nach einem Vergleich keimte Hoffnung. Doch die Umsatzerwartung sank weiter. Die Eigentümer verließ der Mut zu weiterem Finanz-Engagement. Da zogen sich auch die Banken zurück. "Da blieb uns irgendwann nur noch übrig, die Kollegen auf dem Weg in die Arbeitslosigkeit zu begleiten", bedauert IGM-Verhandlungsführer Otto König und verweist ebenfalls auf Fehler der Vergangenheit. "Niemand wollte mehr schlechtem Geld gutes hinterher werfen", da sind sich Arbeitgebervertreter und Gewerkschafter in der Rückschau weitgehend einig. Scheid spürt auch nach 15 Jahren, wenn er darüber spricht, immer noch Ohnmacht und Wut: "Gegen das Kapital kommste nicht an, auch heute nicht. Da verlierste immer. Die wollten einfach nicht mehr."