Witten. .

Wenn Thor Marton Lima am Dienstagabend zu seiner Mutter nach Norwegen reist, wird vieles nicht mehr so sein wie früher.

Der 69-jährige Norweger lebt seit Jahren in Sprockhövel, war Zahnarzt in Hattingen und hatte mit seiner Familie enge Verbindungen nach Witten. Seine deutsche Frau unterrichtete an der hiesigen Volkshochschule Norwegisch, seine Kinder besuchten die Hardenstein-Gesamtschule. Der Mediziner kommt wenige Tage nach dem Bombenanschlag von Oslo und dem Massaker auf der Insel Utoya in seine Heimat - eine Reise, die schon lange geplant war.

„Ich denke, ich tauche in eine Stimmung hinein, die nicht mehr so ist wie früher“, sagt Lima. Früher - „das war eine unbeschwerte Fröhlichkeit und eine unwahrscheinliche Unkompliziertheit der Menschen“. Schon bei seiner Ankunft erwartet der Zahnarzt größere Sicherheitskontrollen. „Mal sehen, wie meine Verwandschaft das alles verarbeitet hat“, sagt er.

Zwar ist niemand von seinen Angehörigen oder Bekannten direkt betroffen. Doch auch aus der Gegend seiner Heimatstadt Sandnes, die in der Nähe der Ölmetropole Stavanger an der Südwestküste liegt, würden noch mehrere Personen vermisst.

Seit dem Massenmord auf Utoya sitzt Thor Marton Lima ununterbrochen vor dem Internet, liest norwegische Zeitungen und guckt das Fernsehen seines Heimatlandes. „Wenn so etwas passiert, merkt man, wo seine Wurzeln sind. Ich, der mich eigentlich schon fast als Deutscher fühlt, ist auf einmal wieder ganz Norweger“, sagt Lima, der in Bonn Zahnmedizin studiert hat und seit 1975 in Deutschland lebt. „Das Attentat ist mir unheimlich nahe gegangen.“

Er glaubt aber nicht, dass sich die Norweger ihre Freiheit und ihre Fröhlichkeit langfristig nehmen lassen werden. Was ihn jetzt vor allem beeindruckt, ist das Zusammenhalten der Menschen. Nicht nur in Oslo, auch in anderen Städten versammelten sie sich zu Tausenden, um mit Fackeln und Blumen still der Opfer zu gedenken.

„Selbst in Stavanger, einer Stadt mit 100 000 Einwohnern, war der Domplatz total überfüllt. Da kamen 100 000 Menschen hin“, sagt Lima. Der gewaltsame Tod so vieler unschuldiger Menschen sei die größte Katastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg. Ein Attentat wie dieses hätte er in dem Ausmaß nie erwartet - und wenn überhaupt, dann eher einen Anschlag von Islamisten. „Wir haben uns so sicher gefühlt.“ Vier Tage will er bleiben. Wenn es weitere Gedenkfeiern in seiner Region gibt, wird er daran teilnehmen.