Fabian Knorr (20) ist ein Auslaufmodell. Er ist der letzte Zivi an der Förderschule Hiddinghausen. Und zu den Sommerferien geht auch er.

Wahrscheinlich wird der Nachschub fehlen. Das Freiwillige Soziale Jahr und der Bundesfreiwilligendienst sind kaum attraktive Alternativen für Schüler, die frisch den Abschluss in der Tasche haben. Bundesweit ist das Interesse gering. Ohne die Unterstützung der Zivildienstleistenden breche der Schulbetrieb nicht zusammen, sagt Johanna Engels, stellvertretende Schulleiterin. Doch vielfach seien zwei Lehrer pro Klasse eingesetzt und es gebe mehrere Integrationshelfer.

„Aber die Zivis haben uns so viele Kleinigkeiten abgenommen, uns so gut unterstützt, dass sie fehlen werden. Denn gerade die Kleinigkeiten sind so wichtig an einer Förderschule.“ Ob es um einen offenen Schuh oder um die Hilfe beim Umkleiden vor und nach dem Schwimmunterricht geht, „all das waren Sachen, die die Zivis schnell lösten. Die Klasse musste also erst gar nicht auf die Nachzügler warten, konnte schon unter Aufsicht des Lehrers ins Wasser oder in die Turnhalle zum Ballspielen. Jetzt müssen das die Lehrer wieder übernehmen“, sagt Johanna Engels, die sich sonst auf die Hilfe von fünf Zivis verlassen konnte. Und plötzlich ist ein offener Schuh keine Kleinigkeit mehr, und bevor der Lehrer die Schnürsenkel nicht fest verknotet hat, können auch die anderen Kinder nicht in die Sporthalle. Manche Sachen fallen sogar komplett weg. „Wie das Zivi-Fußballturnier“, erzählt Engels.

„Sicher, wir bieten andere Sportveranstaltungen an, doch das Turnier war immer sehr beliebt.“ Immerhin gab es eine Eingewöhnungsphase, denn nach und nach ging Zivi um Zivi. Leonard Nelle (20) war der Vorletzte. Er packte in dieser Woche seine Sachen, besucht die Schule aber ein weiteres Mal für das Gespräch mit der Sprockhöveler Zeitung.

Denn sowohl Fabian als auch Leonard sind Schule, Kinder und Kollegium ans Herz gewachsen, beide verlängerten ihren Dienst freiwillig von sechs auf neun Monate. Und beide grübelten über die gleichen Probleme, bevor sie ihren Zivildienst antraten.

„Klar, man stellt sich die Frage, ob man mit behinderten Kindern gut umgehen kann“, findet Fabian. „Doch gab es so viele Höhepunkte in der Zeit meines Zivildienstes und man verliert nach wenigen Tagen seine Skepsis.“

Beispiele: Ein Junge, der nicht mehr ein-, sondern zweisilbig spricht, ein Drücker zur Begrüßung oder ein Graffiti an der WC-Wand, mit Herzchen und dem Namen eines weiteren ehemaligen Zivis. „Unser Hausmeister musste zwar lange schrubben, bis er das abhatte, doch böse sein kann man da kaum“, sagt Lehrerin Mechthild Peter. „Das zeichnet unsere Kinder eben aus. Sie sind ehrlich und sagen, wenn sie jemanden mögen oder nicht mögen.“

Fabians Erlebnisse haben ihn so geprägt, dass er sich nicht nur um ein Medizinstudium - wie er es vorhatte -, sondern auch um ein Pädagogikstudium beworben hat. Für Leonard war diese Richtung schon vor Antritt seines Zivildienstes klar und er fühlt sich nach seiner Zeit an der Schule darin bestärkt. Vom Bundesfreiwilligendienst halten beide nichts. „Akten stapeln ist für Schüler rentabler.“