Sprockhövel. Im Mai und Juni werden Wiesenflächen gemäht. Eine gefährliche Zeit für die Wildtierbrut. Wie Tierschützer und Kreisjägerschaft junge Rehe retten.
In der Natur passt zurzeit alles zusammen: Es wird zunehmend wärmer, das Grün sprießt in atemberaubender Geschwindigkeit, das Gras wächst hoch und dicht. Die Rehe suchen jetzt große Wiesenflächen auf, um dort sichtgeschützt ihre Kitze zur Welt zu bringen. Damit diese vermeintlichen Horte der Ruhe nicht zum Grab werden, rücken Fachleute wie Wolfgang Trilling und die Kreisjägerschaft mit ihren Drohnen an.
„Vom Rande der Wiese aus kann man überhaupt nichts sehen“, stellt Trilling fest. Sein Einsatzort ist am Vormittag ein rund zweieinhalb Hektar großes Meer an Grün, umsäumt von Wald in der Verlängerung der Straße Am Engel.
Der Blick aus der Vogelperspektive
Doch es täuscht, es gibt Leben, und ein Fluggerät mit Kamera wird Trilling helfen, es genau zu lokalisieren. Laut sirrend erhebt sich die Drohne, Trilling, der hier heute seine eigene Wiese inspiziert, lenkt sie dreidimensional mit Joystick und beobachtet konzentriert den Bildschirm, der den Blick aus der Vogelperspektive ermöglicht. Auf der Wiesenfläche vermutet Trilling etwa sechs Kitzverstecke.
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Rund 25 Meter hoch schwirrt das batteriebetriebene Flugobjekt über der Wiese und macht allerlei Spuren im Gras sichtbar, auch dort, wo sich einen Ricke erst vor wenigen Minuten zum Gebären niedergelassen hat. „Es ist gut zu sehen, dass es zwei Kitze sind, die sie behutsam abgelegt hat“, sagt Wolfgang Trilling. Rund 7500 Euro hat Trilling für seine mit Kameras ausgestattete Drohne bezahlt.
Dachse und Füchse suchen ebenfalls nach Kitzen
Aber es gibt noch mehr Spuren auf dem Display von Trilling zu sehen, lange Linien kreuz und quer auf der grünen Fläche, die der Fachmann erläutert: „Sie sind von Dachsen und Füchsen, die ebenfalls nach Kitzen suchen.“ Die jungen Tiere sind also sehr in Gefahr, nicht nur durch die Mähmaschinen.
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Trilling, der in der Forstwirtschaft und in der Reiterei zu Hause ist, hat sich die Expertise über Rehe und Kitze bei einem Fachmann in einem Tierpark in Reken besorgt. Jetzt weiß er, wie freiwillige Helfer zu den Kitznestern dirigiert werden, die vor dem Abmähen zusammen mit Trilling die jungen Rehe aus der Wiese holen. „Man kann sie in einem Karton aufnehmen und wegtragen oder den Karton unmittelbar vor dem Mäheinsatz so lange über sie stülpen, bis alles vorbei ist.“
Auch die Kreisjägerschaft Ennepe-Ruhr setzt auf innovative Technologie im Einsatz des Wildtierschutzes. „Wenn andere noch schlafen, sind Teams von Kitzrettern mit Drohnen und Wärmebildkamera im gesamten Kreisgebiet unterwegs“, berichtet der Vorsitzende Simon Nowack. Immer mehr Hegeringe würden mit Drohnen ausgestattet, sagt Nowack. In diesem Jahr konnte die Kreisjägerschaft mit Förderungen die Hegeringe Schwelm, Volmarstein und Ennepetal mit Drohnen versorgen.
Früh am Tag werden Wärmeunterschiede im Gras erfasst
Die Wärmebildtechnologie ermöglicht es den Drohnen, gerade früh am Tag die Wärmeunterschiede im Gras zu erfassen und so die verborgenen Rehkitze zu orten. Nowack schildert, sobald ein Rehkind entdeckt wird, kann es der Pilot markieren, so dass es später vom Landwirt oder von Helfern sicher geborgen werden kann.
Doch was tun, wenn ein Rehkitz geborgen werden soll? Der direkte Körperkontakt könne dazu führen, dass das Kitz einen fremden Geruch annimmt und in Folge dessen von der Ricke nicht mehr angenommen wird, sagen einige Fachleute. Grasbüschel oder Handschuhe eignen sich dagegen gut, um den menschlichen Geruch bei der Aufnahme eines Kitzes zu überdecken.
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Laut Berechnung der Deutschen Wildtierstiftung fallen jedes Jahr 500.000 Wildtiere der Grünlandmahd zum Opfer, darunter sind ungefähr 90.000 Rehkitze.