Sprockhövel. Am Ende der Party schliefen zwei Bekannte auf einer Couch. Vor dem Amtsgericht muss sich der Angeklagte wegen sexueller Nötigung verantworten.

Ein heute 21-jähriger Sprockhöveler ist angeklagt, vor einem Jahr nachts bei einer 19-jährigen Bekannten sexuell übergriffig geworden zu sein. Nach seiner Schilderung waren es harmlose Zärtlichkeiten in der Hoffnung auf mehr, sie jedoch wertet Vorgehen und Verhalten als Versuch einer Vergewaltigung.

Sie meldet sich bei ihm

Vier Stunden lang beschäftigte sich das Schöffengericht in Hattingen unter Vorsitz von Dr. Christian Amann mit einem Geschehen, das von seiner Rahmenhandlung überall und jederzeit stattfindet. Der Angeklagte hatte vor Jahren ein Mädchen flüchtig kennengelernt, es gab etwas Instagram-Kontakt, dann lange nicht, und wenige Wochen vor dem Tattag war die Verbindung wieder digital belebt worden. Am besagten 5. Juni 2020 bekam er spätnachmittags eine Anfrage von ihr, ob sie mit mehreren Leuten zusammen den Abend verbringen wollen. „Sie und zwei Freunde von ihr holten mich dann in Sprockhövel ab“, berichtete der junge Mann vor Gericht.

Spät nachts kommt die Übernachtungsfrage

Es wurde etwas Bier eingekauft und dann eine Wohnung in Wattenscheid aufgesucht, wo zunächst sechs junge Leute zusammentrafen, tief nachts dann noch der Angeklagte, die vermeintlich Geschädigte, eine Freundin und ein Freund übrig blieben. Übereinstimmend wurde berichtet, dass außer Bier auch – in Maßen – Hochprozentiges konsumiert wurde, bevor sich dann die Übernachtungsfrage stellte. „Eigentlich wollte ich mit der Freundin, der die Wohnung gehört, in ihrem Schlafzimmer übernachten“, berichtete die 19-Jährige. Aber der andere junge Mann ließ sich dort ins Bett fallen, das er offenbar nur sehr gerne mit der Besitzerin teilte. Übrig blieben der Angeklagte und seine Bekannte.

Unterschiedliche Versionen

Ab hier gehen der beiden Schilderungen auseinander. Die Couch sei ausgezogen worden, wo auf großer Fläche für beide Platz war, sagt sie. Er sagt, aus Platzmangel hätten beide sehr eng nebeneinander mit Körperkontakt schlafen müssen. Was er in seiner Erzählung im Laufe der Nacht für Streicheleien auch im Intimbereich bei der Schlafenden nutzte und dann wegen Erfolglosigkeit abbrach, hört sich bei ihr völlig anders an. „Aus irgendwelchen Gründen bin ich im Stockdunklen plötzlich aufgewacht, sah ein Blitzlicht und fühlte, dass er auf mir und zwischen meinen Beinen lag und sich bewegte“, so ihre Erinnerung. Er war demnach nackt, ihr waren Jogginghose und Slip heruntergezogen worden.

Ihr Auftritt ist große Belastung

Für die junge Frau war der Auftritt als Zeugin vor Gericht eine enorme Belastung, immer wieder griff sie zur Wasserflasche und musste beim Bericht über die intimen Geschehnisse wiederholt weinen – besonders, weil der Verteidiger hartnäckig nachhakte. Dessen Strategie zur Entlastung seines Mandanten war offensichtlich die, dass der Ablauf des gesamten Abends in der Wahrnehmung des jungen Mannes fast automatisch auf eine erotische Begegnung hinauslaufen musste, weil sie solche Zeichen setzte. – Sie haben ihn für den Abend eingeladen? Ja, das habe ich. – Sie haben sich geküsst? Ja, so war es. – Sie haben eingewilligt, mit ihm auf einer Couch zu übernachten? Ja, ich wollte keine Diskussionen.

Zeugin wehrt sich gegen Unterstellungen

Sie hat es doch so gewollt oder zumindest wenn auch ungewollt solches Einverständnis signalisiert – diese Ansicht stand unausgesprochen im Gerichtssaal. Aber die Zeugin wehrte sich: „Ich wollte ihn kennenlernen, aber keinen körperlichen Kontakt“, sagte sie unter Tränen. „Ein flüchtiger Kuss im Laufe des Abends ist doch keine Einladung für Geschlechtsverkehr mit einer schlafenden Frau!“

Zum Sex ist es nach Gutachtermeinung nicht gekommen, auch der Verdacht, der Angeklagte hätte ein Foto von der Schlafenden gemacht, bewahrheitete sich nicht. Der Prozess wird fortgeführt.

Berufliche Folgen

Die Anklage erreichte den jungen Sprockhöveler erst viele Monate später. In der Zwischenzeit hatte er seinen Wehrdienst begonnen und stand vor der Beförderung zum Zeitsoldaten.

Doch als er die Strafverfolgung bei seinen Vorgesetzten meldete, war der Traum von der Bundeswehrkarriere sofort beendet. Jetzt macht er eine Ausbildung zum Bodenleger.