Sprockhövel. Beim Neujahrsempfang im Jubiläumsjahr von Sprockhövel gab es Rück- und Ausblicke. Die Vielfalt der zweipoligen Stadt ist auch ihre Stärke.

Das Jubiläumsjahr von Sprockhövel ist mit einem beeindruckenden Neujahrsempfang von Stadtmarketingverein, Stadtsportbund und Stadtkulturring eröffnet worden. Information und Unterhaltung, Rückbesinnung und Vorausschau wurden dabei in ein für rund 300 Gäste gut aufnehmbares Verhältnis gebracht. Die Botschaft könnte lauten: Nach 50 Jahren ist keine homogene Stadt gewachsen – und genau das ist bei näherer Betrachtung die Stärke Sprockhövels.

Große Stärke der Stadt ist das Ehrenamt

Ein Blick ins Publikum beim Neujahrsempfang.
Ein Blick ins Publikum beim Neujahrsempfang. © FUNKE Foto Services | Barbara Zabka

Gründlich daneben ging bei diesem bereits zum zweiten Mal in vorzüglicher Weise im IG-Metall-Bildungszentrum veranstalteten Jahresauftakt allein und ausschließlich die Zeitplanung, was der Garde der Grußwortsprecher im ersten Teil des Empfangs anzulasten ist. Es muss für die Gäste, die meisten Bürgerinnen und Bürger aus Sprockhövel aus Vereinswesen, Kunst, Politik und Verwaltung jedoch ein erhebendes Gefühl gewesen sein, wie viel bei der Bilanz nach einem halben Jahrhundert neuerer Sprockhöveler Stadtgeschichte an positiven Leistungen zu vermelden war: „Mehr als 40 Prozent aller Sprockhöveler sind Mitglied in einem der 42 Sportvereine“, hob Bärbel Stahlhut, Vorstandsmitglied des Stadtmarketingvereins, in ihrer Begrüßung hervor. Regierungspräsident Hans Josef Vogel zeigte sich in seinem Grußwort beeindruckt, dass das Register der 25.000-Einwohner-Kommune unter den 107 aufgelisteten Vereinen auch 36 Kultur- und acht Tierschutzvereine aufweise – insgesamt 233 Bürger kommen auf einen Verein.

Landespolitische Hintergründe der Gebietsreform

Am Anfang waren die zwei Kleinstädte Haßlinghausen und Niedersprockhövel sowie einige kleinere Ortschaften drumherum. Die Niedersprockhöveler tendieren Richtung Hattingen und Bochum, die Haßlinghauser blicken Richtung Gevelsberg und Wuppertal. Der Landtagsabgeordnete Prof. Rainer Bovermann (SPD) übernahm die Aufgabe, an die landespolitischen Hintergründe der Gebietsreform zu erinnern, an deren Ende eben auch der Geburtstag des heutigen Sprockhövels stand. Damals war nicht allein hier, sondern überall in NRW die Furcht und der Frust groß, dass zu neuen kommunalen Konstrukten zusammengefasst werden sollte, was partout nicht zusammengehören wollte. „Das Landesverfassungsgericht hatte damals sehr viel zu tun mit den Beschwerden, die überall in NRW formuliert und eingereicht wurden“, erinnerte der Politologe Bovermann.

Walterscheids kleines Meisterstück historischer Betrachtung

Musikalisch gestaltete der Musikzug der Feuerwehr das festliche Reignis.
Musikalisch gestaltete der Musikzug der Feuerwehr das festliche Reignis. © FUNKE Foto Services | Barbara Zabka

Den Prozess der Entstehung Sprockhövels, die Auswirkungen der Gebietsreform auf diese Stadt, zeichnete Alt-Bürgermeister Klaus Walterscheid nach. Es gelang ihm ein kleines Meisterstück historischer Aufklärung, zu spannend, als dass das Publikum zwischendurch hätte applaudieren mögen. „Zielvorgabe des Landes war, ein Mittelzentrum mit mindestens 20.000 Einwohnern zusammenzufügen, um der Zersiedelung Einhalt zu gebieten“, sagte Walterscheid. Für ein Zusammenwachsen sei es notwendig, dass es zwar mit dem Kopf geplant, aber auch das Herz erreicht werde. „Damals wie heute definieren sich die Einwohner über ihre Ortsteile, sind etwa Hiddinghauser, Herzkämper, Niedersprockhöveler“, so Walterscheid. Doch frage man sie irgendwo außerhalb ihrer Heimat nach der Herkunft, „so werden sie sich wie selbstverständlich als Sprockhöveler bezeichnen.“ So sei Sprockhövel der Rahmen für eine bunte Vielfalt von Einzelortschaften, die es ja bereits im Mittelalter gegeben habe. Dieser Zweipoligkeit haben die politisch Verantwortlichen „vernünftigerweise“, wie Walterscheid anmerkte, immer Rechnung getragen – mit jeweils zwei Musikschulen, Jugendzentren, Büchereien sowie Sportplätzen und Begegnungszentren in allen Ortsteilen. „Letztlich haben wir damit eine Erklärung etwa für die hohe Zahl an Vereinen und Ehrenamtlichen.“ Eine auf Effizienz angelegt Zentralisierung hätte das alles zerstört, was Sprockhövel stark mache, ist Klaus Walterscheid sicher.

Sopranistin Anna Christin Sayn singt hinreißend

Die Gäste waren dankbar auch für die kulturellen Beiträge beim Neujahrsempfang; besonders, wo ausschließlich Sprockhöveler auf der Bühne standen. Michael Ibing und der Musikzug der Freiwilligen Feuerwehr begleiteten die hinreißend singende Sopranistin Anna Christin Sayn mit Auszügen aus dem „Land des Lächelns“ und den Songs „Over the Rainbow“, „A Whiter Shade of Pale“ und dem berühmten Heimatlied als Zugabe. „Auch wenn es uns in die ganze Welt zieht, am Ende kommen wir doch alle wieder nach Sprockhövel“, schloss Lutz Heuser, der Vorsitzende des Stadtmarketingvereins.