Sprockhövel. Ein Sprockhöveler fordert vor Gericht ein kostenloses übertragbares Ticket 2000 als Deputat. Darauf verklagt er seinen Ex-Arbeitgeber, die VER.
Ein Rentner aus Sprockhövel will kämpfen: nicht nur für sich, sondern auch für seine ehemaligen Kollegen. Der 77-jährige Ruheständler hat vor dem Arbeitsgericht Hagen seinen früheren Arbeitgeber, die Verkehrsgesellschaft Ennepe-Ruhr (VER), verklagt. Er fordert sein kostenloses übertragbares Ticket 2000 zurück und kündigt bereits jetzt an: „Ich gehe durch alle Instanzen.“
Neue Betriebsvereinbarung gilt auch für Rentner
Der Senior ist sauer. Mehr als 30 Jahre war er bei dem Ennepetaler Verkehrsunternehmen beschäftigt, zuletzt als Kfz-Meister in der Werkstatt. Mittlerweile ist er seit 15 Jahren in Rente. Auch im Ruhestand erhielt er, wie alle VER-Mitarbeiter, viele Jahre lang ein kostenloses Ticket 2000 - Preisstufe B, übertragbar. Das bedeutete: Er konnte dieses Ticket, wenn er nicht selber tagsüber damit fahren wollte, auch problemlos seiner Ehefrau (78) überlassen. Die Seniorin nutzte es gerne und regelmäßig für Einkaufsfahrten mit dem Bus. Doch dieser Vorteil ist jetzt vorbei.
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Denn: Nach einer neuen Betriebsvereinbarung zwischen der Verkehrsgesellschaft Ennepe-Ruhr und ihrem Betriebsrat gilt die geänderte Regelung: An alle VER-Mitarbeiter, egal ob aktiv oder im Ruhestand, wird nur noch ein nicht übertragbares, also ein personifiziertes Ticket 2000, herausgegeben. Eine Weitergabe des kostenlosen Fahrausweises an Dritte ist damit nicht mehr möglich. „Das ist eine von den vielen Maßnahmen aus dem Destrukturierungspaket, die der Aufsichtsrat unseres Unternehmens beschlossen hat“, erläuterte VER-Geschäftsführer Peter Bökenkötter (55), „es geht uns um wichtige Einsparungen.“
Anwalt rechnet dem Rentner gute Chancen aus
Zum Begriff: Deputat
Der Begriff Deputat bedeutet wörtlich „das jemandem Gebührende“. In der Wirtschaft bezeichnet es den aus einer Naturalleistung bestehenden Anteils des Lohns oder Gehalts.
Deputate gehören zu den Sachbezügen und sind ein geldwerter Vorteil, der zum steuerpflichtigen Arbeitslohn gehört.
Als bekannte Deputate gelten die kostenlose Kohle für Bergleute und der kostenlose Haustrunk für Brauerei-Mitarbeiter. Mitarbeiter von Verkehrsunternehmen, zum Beispiel der Bahn, erhalten häufig Freifahrten als Deputat.
Bökenkötter musste jetzt vor dem zuständigen Arbeitsgericht Hagen erscheinen. Geklagt hat dort der betagte Sprockhöveler VER-Rentner, der die neue Betriebsvereinbarung nicht akzeptieren will und sich dadurch in seinen alten, angestammten Rechten verletzt fühlt: Er verlangt deshalb von seinem Ex-Arbeitgeber das kostenlose übertragbare Ticket 2000 zurück (Az. 1 Ca 1214/19).
Sein Anwalt Yannick Wiemann sieht auch gute Chancen, den Prozess zu gewinnen: „Die vergünstigende Betriebsvereinbarung wurde seinerzeit geschaffen, als mein Mandant noch aktiver Mitarbeiter war. Jetzt, wo er Ruheständler ist, soll das von einem anderen Betriebsrat, den er übrigens nicht mitwählen konnte, wieder ausgehebelt werden.“ Es gäbe so etwas wie einen „Bestandsschutz“.
Geldwerter Vorteil von monatlich 120 Euro
Der VER-Chef sieht das anders. Bökenkötter: „Die aktiven Mitarbeiter haben ihr übertragbares Ticket doch auch verloren. Das personifizierte Ticket, dass man abends ab 19 Uhr und am Wochenende immerhin auch zu zweit nutzen kann, ist insofern noch ein guter Kompromiss.“ Eine Alternative sei lediglich gewesen, den VER-Beschäftigten und Pensionären gar kein Freiticket mehr zu geben.
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„Unsere Mitarbeiter sind auch nach der neuen Vereinbarung gut versorgt. Das Ticket stellt einen geldwerten Vorteil von monatlich 120 Euro dar, die Versteuerung übernehmen wir.“ Bei anderen Verkehrsunternehmen sei es zudem üblich, dass deren Mitarbeiter lediglich auf den eigenen Linien kostenfrei fahren dürften, „unsere Mitarbeiter hingegen bekommen ein Ticket für den Geltungsbereich B auf allen Linien im Verkehrsverbund. Das ist immer noch ein sehr komfortables Deputat, dass nicht zu unterschätzen ist“, findet Bökenkötter.
Verkauf von Ticket 2000 als Nebengeschäft
Das neue personalisierte Mitarbeiter-Ticket hat der VER übrigens schon 144.000 Euro eingespart: Von 240 Berechtigten, würden es jetzt nur noch 80 Personen in Anspruch nehmen. 160 Personen wollen es mittlerweile gar nicht mehr nutzen. Geschäftsführer Bökenkötter: „Früher wurde wahrscheinlich viel Missbrauch mit dem übertragbaren Ticket getrieben. Es war offenbar ein lukratives Nebengeschäft, es an Dritte weiterzuverkaufen.“
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Der klagende VER-Ruheständler weist diesen Vorhalt weit von sich: „Für mich gilt das alles nicht. Ich habe das Ticket immer nur für mich selbst genutzt oder es meiner Frau gegeben.“
Richterin Dorothea Vincetic wird den Fall im Kammertermin am 9. Januar 2020, 11.15 Uhr, entscheiden. Der Rentner hat schon jetzt angekündigt: „Sollte ich verlieren, werde ich auch im Interesse meiner alten Kollegen in die Berufung gehen.“