Sprockhövel. . 100 Jahre Frauenwahlrecht: Im Bundestag wird der 30-Prozent-Frauenanteil beklagt. In Sprockhövel ist jedoch nur jedes fünfte Ratsmitglied weiblich.

Anfang der Woche wurde im ganzen Land der Tag gefeiert, an dem vor 100 Jahren in Deutschland das Frauenwahlrecht eingeführt wurde. Doch wo stehen wir heute? Unbestreitbare Fortschritte in der politischen Partizipation täuschen bisweilen darüber hinweg, dass der Frauenanteil im Deutschen Bundestag nicht nur stagniert, sondern 2017 mit 30,7 Prozent auf einen Wert von 1998 zurückgefallen ist. Auch in zahlreichen Länderparlamenten ist der Frauenanteil rückläufig und liegt bei durchschnittlich einem Drittel. Und in Sprockhövel wird auch dieser Wert noch unterschritten: Der 2014 gewählte Rat besteht gerade mal zu 20 Prozent aus Frauen.

SPD führt beim Missverhältnis an

Abgesehen von den Kleinparteien und Wählergemeinschaften mit einem oder zwei Ratsmitgliedern ist es denkwürdigerweise die SPD mit dem auffälligsten Männerüberhang. 1919 war es die Sozialdemokratin Marie Juchaz, die als erste Frau eine Rede in der deutschen Nationalversammlung gehalten hat – in Sprockhövel stehen der Ratsherrin Marion Prinz 15 männliche Genossen gegenüber. „Uns ist dieses Missverhältnis sehr bewusst“, sagt der Fraktionsvorsitzende Wolfram Junge. Laut Satzung müsse die SPD für einen Anteil von 50 Prozent bei den Mandaten für Frauen sorgen, „das ist uns überhaupt nicht gelungen“, so Junge. Bei der Kandidatenaufstellung vor der letzten Kommunalwahl war offenbar geworden, dass es in Sprockhövel zu wenige Frauen gab, die ein politisches Mandat anstrebten. „Aber wir sind für die nächsten Jahre auf einem guten Weg“, sagt Junge. Bei der nächsten Kommunalwahl werde in der SPD ein Generationswechsel vollzogen, „dann kommen die vielen jungen und auch weiblichen Talente unseres Nachwuchses zum Zuge.“

Bei der CDU ist das Geschlechterverhältnis ebenfalls in Schieflage – neun zu zwei für die Männer. Fraktionschef Torsten Schulte ist damit nicht zufrieden, kann das Zustandekommen jedoch auch erklären. „Die Arbeit im Stadtrat und in den Fachausschüssen ist sehr zeitintensiv – das macht nicht jeder mit.“ Das sei jedoch nicht als Absage an politisches Arbeiten zu verstehen: „Unter unseren sachkundigen Bürgern ist das Verhältnis Frauen – Männer ausgewogen. Schulte verweist auf die zahlreichen Abendtermine für Ratsleute, das sei nun wirklich nicht familiengerecht. „In Sprockhövel haben wir eine beeindruckende Ehrenamtsquote von 40 Prozent – wenn da Familienväter im Sport oder anderen Vereinen aktiv sind, kann die Mutter nicht in der Politik auch noch abwesend sein.“

Gut lachen hat Thomas Schmitz. Allein in seiner Grünen-Fraktion sind Frauen in der Mehrheit – drei von fünf Mitgliedern. Es sei eben zur Selbstverständlichkeit geworden, bei der Kandidatenwahl immer zuerst eine Frau aufzustellen.