Sprockhövel. . Martin Debold von der Wählergemeinschaft „Miteinander in Sprockhövel“/Piraten kritisiert die mangelnde Kompetenz der etablierten Parteien.
Das sechste Sommerinterview führte Redakteur Matthias Spruck mit dem Sprockhöveler Martin Debold, dem Fraktionsvorsitzenden von MiS („Miteinander in Sprockhövel“)/Piraten.
Haben Sie mittlerweile Ihren Frieden mit der Umgehungsstraße gemacht, die Sie über viele Jahre verhindern wollten?
Martin Debold: Als effizienzverliebter Mensch beschäftige ich mich nur mit Dingen, die ich noch beeinflussen kann. Die L 70n-Entscheidung ist Geschichte. Der gerodete Turmag-Parkplatz und die Betonwand bei Koch zeigen schon, was hier kaputt gemacht wird. Ich finde es immer betrüblich, wenn man Pläne aus den Zeiten der autogerechten Stadt nach 40 Jahren nicht neu bewerten kann, so wie ich es als anfänglicher Befürworter der L 70n auch getan habe. Das Leben wird nicht schöner für die Bürger im Süden von Niedersprockhövel, nur lauter und Stickoxid-belasteter.
Auf der Homepage von MiS wird angeprangert, in Sprockhövel werde über die Köpfe der Bürger hinweg Politik gemacht. Das scheint angesichts von städtischen Info-Veranstaltungen, öffentlichen Sitzungen der Zukunftskommission und SPD-Bürgerveranstaltungen einigermaßen absurd.
Die Arbeitsweise der Zukunftskommission beruht auf einer Choreografie der SPD und wird von den Bürgern nicht angenommen, weil höchstgradig ineffizient. Die Info-Veranstaltungen der Stadt, die ja auch nicht mehr stattfinden, dienten nur der Information, der Belobhudelung der Arbeit der Stadt durch einen herbeigerufenen Moderator, aber nicht der Mitsprache oder Beteiligung der Bevölkerung.
Aber die SPD-Veranstaltungen zur Stadtplanung wurden doch recht gut angenommen.
Bei den Veranstaltungen der SPD soll durch die Anwesenheit der SPD-Mitglieder der Verwaltungsführung eine „staatstragende“ Wichtigkeit der SPD dokumentiert werden. Sie behandeln jedoch eigentlich die Themen, für die die Zukunftskommission zuständig sein sollte, die sie dort aber nicht einbringt. Warum? Welches Format will die SPD eigentlich? Das dient doch alles der Selbstdarstellung der Partei. Wir von der MiS beteiligen uns hier nicht als Komparsen.
Wie beurteilen Sie als Pirat den Digitalausbau in Sprockhövel?
Ein großes Problem der Politik insgesamt, aber auch gerade in Sprockhövel ist, dass alle in der Politik über Digitalisierung reden, aber kaum einer Ahnung hat, worüber er redet. Für den Ausbau in der Fläche sind natürlich die Telekommunikationsunternehmen verantwortlich. Hier müssen Stadt und Kreis Druck machen, wo es geht. Wir sind hier im Kreis sehr aktiv. Hier muss man ausdrücklich auch einmal die „Freifunker“ loben, die mit viel unentgeltlicher Arbeit Lücken füllen.
Wie ist da die Situation in der Stadtverwaltung?
Froh bin ich, dass unter Bürgermeister Winkelmann die Missstände in der IT-Infrastruktur der Verwaltung behoben wurden. Nachdem hier Jahrzehnte lang unter den Vorgängern in die Hardware und in die Weiterbildung der IT-Mitarbeiter wenig investiert wurde, sind wir nun endlich auf dem Stand der Technik und haben auch beim Personal aufgestockt. Ich hätte mir hier eine größere Vielfalt der Betriebssysteme und der Software gewünscht, aber dazu braucht man Mut – so wie die Stadt Schwäbisch Hall. So haben wir eine IT-Monokultur, aber man kann nicht alles haben.
Gibt es ein politisches Thema, das Sie bis zur Kommunalwahl noch voranbringen wollen?
Ich würde gern eine Facebook-ähnliche Internetplattform zur Mitarbeit und Teilhabe der Bevölkerung als Input an den politischen Arbeitsgremien, den Ausschüssen, andocken. 96 Prozent der Bevölkerung, auch der Senioren, benutzen das Internet. Alle diejenigen, die nicht an den öffentlichen Sitzungen teilnehmen können aufgrund von Mobilitätseinschränkungen oder Arbeitszeiten könnten dieses Portal 24 Stunden pro Tag nutzen und ihre Ideen einbringen.
Besonders die jungen Bürger könnten so angesprochen werden.
Es ist auch ein Format, mit dem wir vielleicht auch unsere Jugend mit einbeziehen können, die ja unsere Zukunft darstellt. Unsere Jugendlichen haben kürzlich über „Social Media“ über fehlende Möglichkeiten zum Skateboardfahren geklagt, da alle Möglichkeiten immer weiter eingeschränkt werden und die Gerätschaften verwahrlost sind. Das ist der Politik so wohl nicht bekannt. Der Bolzplatz ist und bleibt weg, Skateboardfahren geht nicht mehr, wo sollen die Kinder hin? Auch dieses Beispiel zeigt die Antiquiertheit der Zukunftskommission. Mit unserer Internetplattform-Idee landen die Sorgen und Anregungen der Menschen direkt da, wo sie hingehören – in den zuständigen Gremien. Die kostenlose Software für ein solches Portal haben wir bereits vorgestellt, ebenso einen Organisationsentwurf dazu. Man kann nicht die Probleme des 21. Jahrhunderts mit den Mitteln des 19. Jahrhunderts lösen, wie es die Altparteien versuchen.