Sprockhövel. . Sommerinterview mit Thomas Schmitz, Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen. Für Austausch mit den Bürgern fordert er ein Internetportal.
Das dritte Sommerinterview führte Redakteur Matthias Spruck mit Thomas Schmitz, dem Vorsitzenden der Ratsfraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Fahren Sie eigentlich in Sprockhövel mit dem Rad?
Wann immer es geht, fahre ich mit dem Fahrrad. Besonders mit dem Pedelec, das ich mir angeschafft habe, funktioniert das gut. Geht es jedoch in den Ausschuss oder zu einem Termin, wo ich meinen Laptop mitnehmen muss, dann natürlich nicht. Aber noch eins zu diesem Thema: Die Querspange als Verbindung zwischen Niedersprockhövel und Haßlinghausen benötigt dringend eine Fahrradspur.
Nennen Sie drei Bereiche in der Stadt, wo dringend etwas verändert werden müsste.
Der Klimaschutz muss ernst genommen werden. Zwei Anträge von uns, in denen wir die Einstellung eines Klimaschutzmanagers gefordert haben, sind gegen SPD, FDP und WfS gescheitert. Nur so hätten wir einen Garanten, dass das Klimaschutzkonzept für Sprockhövel umgesetzt wird. Wer glaubt, das sei alles nicht nötig, schaue auf diesen Sommer – mit Hitze und extremem Regen müssen wir künftig leben.
Was noch?
Wir brauchen einen besseren öffentlichen Personennahverkehr, eine bessere Taktung der Busse, das Angebot für Anforderungstaxis. Das hat übrigens auch die FDP erkannt, auf Kreisebene gibt es jetzt ein Mobilitätskonzept, das die Handschrift der Grünen trägt. Außerdem wollen wir mehr sozialen Wohnraum: Bei der Ausschreibung von neuen Bauvorhaben der Stadt muss festgeschrieben werden, dass 25 bis 30 Prozent davon für Inhaber des Wohnberechtigungsscheins vorgesehen sind. Das ist bislang abgelehnt worden, dabei hätte es etwa für das Projekt Eickerstraße auch einen Investor gegeben, der das umsetzen wollte. Für die Hauptstraße fordern wir zunächst ein Konzept, in dem eine Einbahnstraßenregelung vorgesehen ist. Und auf der Mittelstraße muss der Schwerlastverkehr raus.
Hier hat die Stadt aber keine Befugnis, weil die Mittelstraße Straßen NRW untersteht.
Andere Städte haben das für vergleichbare Straßen auch durchgesetzt.
Stellen wir uns vor, Sie wären Bürgermeister und die Grünen entscheiden allein über die Geschicke der Stadt. Was würden Sie einem Unternehmer sagen, der bei Ihnen mit Nachdruck Erweiterungsflächen anfordert?
Ein schöner Gedanke, Bürgermeister zu sein! Ich würde konstruktiv auf den Unternehmer zugehen und mit ihm auf Grundlage des Flächennutzungsplans nach Möglichkeiten für eine Expansion suchen. Klar muss nur sein: Die Unternehmerwünsche dürfen nicht zu weiterem Flächenfraß führen, Naturräume zur Erholung der Bürger müssen geschützt werden. Außerdem ist in solchen Fragen der Regionalverband Ruhrgebiet, nicht die Stadt federführend.
So können Sie den Unternehmer wohl kaum zufriedenstellen.
Wir müssen bei Industrieansiedlungen mehr Brachflächen berücksichtigen. Aber die Erschließungskosten sind dann natürlich deutlich höher. Grundsätzlich stehen wir Grünen jedoch für ein tiefgreifendes Umdenken – ob es nun etwa um Fleisch- oder Flächenkonsum geht: Es gilt das Wachstumsprinzip zu durchbrechen, es lässt sich nun mal nicht alles steigern. Für Sprockhövel wünsche ich mir konkret eine Umorientierung bei der Firmenansiedlung – mehr Dienstleistungsunternehmen und solche Betriebe, die wenig Fläche benötigen. Unsere Nähe zu Wissenschaftszentren in Bochum, Dortmund und Essen kann da sehr hilfreich sein.
Nach einem Jahr sind die Prüfungen für ein Gymnasium längst nicht abgeschlossen. Geben Sie am Ende grünes Licht für diese Schulform?
Vieles spricht gegen ein Gymnasium. Von der Schülerzahl wäre eine knappe Dreizügigkeit möglich, da sehe ich kein attraktives Angebot an Fächern für die Oberstufe. Wir wollen lieber mit der Kreisverwaltung sprechen, um am Standort Börgersbruch eine Dependance der Wilhelm-Kraft-Gesamtschule einzurichten. Das hätte auch positive Effekte für den Schulstandort Hattingen, der durch eine Gymnasiumsgründung in Sprockhövel empfindlich getroffen würde. Uns bewegt auch, dass die Mathilde-Anneke-Schule dringend erhalten bleiben muss.
Wie zufrieden sind die Grünen mit Ulli Winkelmann als Bürgermeister, der ja auch Ihr Kandidat war?
Ich bin froh, dass er wieder gesund ist, so dass er seinen Job wieder ausfüllen kann. Wir haben einen guten Kontakt zu ihm, er besucht uns manchmal bei Fraktionssitzungen. Die SPD-Kritik halte ich für überzogen, es ist doch völlig in Ordnung, dass sich ein Bürgermeister auf seine starke Verwaltungsmannschaft stützt. Und ich halte es für schlicht unverschämt, Ulli Winkelmann die Fachkompetenz abzusprechen.
Was möchten Sie in dieser Wahlperiode noch erreichen?
Die Grünen brauchen weitere Mitglieder, personell operieren wir an der Grenze. Alle Sprockhöveler sind also herzlich eingeladen! Dann möchten wir mehr Bürgerbeteiligung, indem wir ein Internetportal zum Bürgerhaushalt entwickeln. Hier kann sich jeder mit seinen Vorstellungen einbringen, was in der Stadt wichtig ist oder nicht, was erhalten werden sollte oder nicht. In solch einem Forum sind keine langen Terminierungen und die Organisation von öffentlichen Veranstaltungen notwendig, Zusammenkünfte funktionieren kurzfristig.
Wie schätzen Sie die Chancen der AfD ein, in Sprockhövel Fuß zu fassen?
Die Bundestagswahl hat gezeigt, dass die AfD in unserer Stadt ein Potenzial von rund acht Prozent hat. Das sollte alle politischen Kräfte im Rat veranlassen, immer nah am Bürger zu arbeiten, dessen Wünsche und Kritik ernst zu nehmen.