Sprockhövel. . Fraktionschef Wolfram Junge wirft Ulli Winkelmann Initiativlosigkeit und mangelnde Sachkenntnis vor. Am Projekt Gymnasium hält die SPD fest.

Immer Sommer-Interview befragte Redakteur Matthias Spruck den SPD-Fraktionsvorsitzenden Wolfram Junge zur politischen Lage in Sprockhövel.

Sorgen Sie sich um die SPD als Volkspartei? Besteht die Möglichkeit, als kommunalpolitische Kraft zu überleben – quasi abgekoppelt von Berlin?

Ich bin besorgt um die SPD, denn die Kennzeichen einer Volkspartei – die solide Verankerung und Wahlergebnisse über 30 Prozent – erfüllt sie nicht, die CDU im Übrigen aktuell auch nicht mehr. Andererseits steht die SPD für universelle Werte, bietet Lösungen für alle gesellschaftlichen Probleme an. Das ist eine Basis für ihre Zukunft. Selbstkritisch muss ich feststellen: Es fehlt uns charismatisches Führungspersonal, dass kämpferisch und entschieden Lösungen umsetzt. Mit Blick auf die Kommunalpolitik ist meine Sorge um die SPD geringer: Wir sind stärkste politische Kraft in Sprockhövel, weil wir überzeugend Probleme lösen, und die Zukunft mit Bürgern gestalten, darauf liegt der Fokus.

Vor einem Jahr brachten Sie die Idee eines Gymnasiums für Sprockhövel in die Diskussion. Ist das überhaupt zu schultern für eine Stärkungspaktkommune?

Das Projekt Gymnasium wird nicht von heute auf morgen umgesetzt werden können. Die Finanzierung ist eine Hürde, aber auch das pädagogische Konzept fehlt und das Einvernehmen mit den Nachbarstädten und mit der Bezirksregierung ist noch lange nicht hergestellt. Andererseits: Die SPD weiß, dass das Gymnasium eine bei Schülern und Eltern anerkannte Schulform ist, die es abgesehen von Sprockhövel und Breckerfeld in allen kreisangehörigen Städten gibt. Ein umfassendes Bildungsangebot ist auch ein Standortvorteil und wir befinden uns im Wettbewerb mit den anderen Kommunen des EN-Kreises um junge Familien. Daher werden wir das Ziel Gymnasium weiterverfolgen.

Die Ära Traglufthalle ist vorbei. Hatten Sie Verständnis für den Unmut in der Bürgerschaft?

Ich habe Verständnis für den Unmut, so lange es sich lediglich um das Ungetüm an der Hiddinghauser Straße handelte und nicht etwa die Flüchtlinge die eigentliche Ursache für Ablehnung war. Ich war damals ein entschiedener Verfechter der Traglufthalle, denn es galt, die Glückauf-Halle und die Sporthalle in Haßlinghausen dringend und so schnell wie möglich wieder frei zu bekommen, damit sich in der Bevölkerung keine schlechte Stimmung gegen die Flüchtlinge aufbauen konnte. Ich räume ein, dass die Traglufthalle als Projekt besser in der Bürgerschaft hätte erläutert werden können.

Sie haben Veranstaltungen zur Stadtentwicklung organisiert. Welche Erkenntnisse haben Sie?

Ich bin mit unseren Veranstaltungen sehr zufrieden. In Haßlinghausen ist durch das Integrierte Handlungskonzept der Startschuss für Veränderungen bereits gefallen, in Niedersprockhövel will die SPD in einer dritten Informationsveranstaltung Jugendliche und Senioren dazu bewegen, ihre Vorstellung für eine Stadtentwicklung dort zu formulieren. Der Bürgerdialog ist unsere Daseinsberechtigung, hier werden Wünsche ermittelt, wir suchen Mehrheiten, dann wird entschieden und umgesetzt.

In einer Ratssitzung kritisierten Sie die Amtsführung des parteilosen Bürgermeisters Ulli Winkelmann, zuletzt wollte Ihre Fraktion seine Anwesenheit bei einer Ausschusssitzung erzwingen. Ist das vorgezogener Kommunalwahlkampf?

Im Prinzip deckt sich die Aufgabe von uns als Politik mit der des Bürgermeisters – beide wirken zum Wohle der Stadt. Wir wollen konstruktiv mit Bürgermeister Winkelmann zusammenarbeiten, insofern liegt uns jedes Taktieren fern. Aber in der Tat kritisieren wir die Amtsführung des Bürgermeisters. Damit keine Missverständnisse entstehen: Es geht nicht um politische Differenzen, der Bürgermeister hat vielfach keine Meinung oder Haltung zu zentralen Fragen unsere Stadt, er ist im Grunde ohne jegliche Initiative.

Woran machen Sie das fest?

Die drängendsten Probleme unserer Stadt werden nicht erkannt und behandelt, Prioritäten werden nicht gesetzt. Themen wie die Schaffung von Gewerbe- und Siedlungsflächen, Stadtfinanzen, Wirtschaftsförderung, Bildungsfragen, Stadtentwicklung und andere mehr, niemand wird eine profunde Stellungnahme oder Positionierung des Stadtoberhauptes finden. Offensichtlich hat er wenig Sachkenntnis von den Fragen, die die Stadt betreffen.

Was müsste er leisten?

Herr Winkelmann sollte erster Ansprechpartner für alle Probleme Sprockhövels sein, doch ohne die Riege sehr kompetenter Fachabteilungsleiter hätten wir in unserer Stadt totalen Stillstand. Die SPD vermisst bei Winkelmann eine klare Positionierung und Vertretung der Interessen der Stadt auch in den übergeordneten Gremien etwa auf Kreisebene. Ich hatte zu all diesen Sachverhalten ein Gespräch mit ihm, aber es gab keine Resonanz.