Im 18. Jahrhundert wanderten die Urväter aus Hessen ins Preußische ein. Der Kotten Stracke in den Hülsen wird heute noch von Nachfahren bewohnt.
„Ich bin wirklich noch auf dem Hof geboren, als es noch richtige Landwirtschaft hier gab“, sagt Friedrich Stracke (68) vom Hof Stracke in den Hülsen stolz. Ein Bauernjunge wurde aus ihm trotzdem nicht. Elektrotechnik hat er studiert und ist seit 1981 beruflich selbstständig. Bedauernswert sei, dass er so wenig Erinnerungen an seine Kindheit habe. Da waren die Kühe, der Großvater hatte ein Pferd und er ist Trecker gefahren, aber eine Affinität zur Landwirtschaft habe er nie gehabt.
Eine lustige Begebenheit aus seiner Kindheit ist ihm allerdings noch sehr lebendig im Gedächtnis geblieben. Fasziniert war der kleine Friedrich immer von den langen Zungen der Kühe. Sie konnten sich problemlos über die Nase lecken. Das versuchte der Bauernhofspross dann auch, hat es aber nie geschafft, wie er zugibt. „Heute leben wir im Kuhstall, arbeiten auf dem Heuboden, haben das Bad im Schweinestall und den Wintergarten auf dem Misthaufen“, sagt der Elektrotechniker lachend. Denn vor einigen Jahren wurde das Gut komplett umgebaut.
Heute leben auf dem Hof außer Ehefrau Marion (68) und Friedrich Stracke die Tochter mit Familie, zwei Hunde, Katzen und Papageien. „Unser Sohn ist 42 Jahre alt, ein Papagei ist 43 Jahre alt geworden.“ Die Tierwelt sei nie sein Ding gewesen, gibt der 68-Jährige zu. Dafür liebt seine Frau die Hausgenossen mit Fell und Federn um so mehr. Die Kindheit von Friedrich Stracke verlief deutlich anders als die von Stadtkindern. „Wir sind hier fast nie rausgekommen. Einmal im Jahr fuhren wir nach Essen und einmal nach Bochum. Mit 14 Jahren ging ich in die Lehre, das bedeutete: Um sechs Uhr morgens aus dem Haus und um sechs Uhr abends heimkommen.“ Einen Kindergarten gab es nicht, dafür mussten schon die Kleinen in der Landwirtschaft mithelfen – Kartoffeln aufsuchen und freilegen, Rüben hacken, Unkraut jäten.
„Der ehemalige Bauernhof Stracke in den Hülsen gehört nicht wie Scherenberg, Hünninghausen oder Dellwig zu den großen alten Gütern, die schon im Mittelalter erwähnt werden“, schreibt Stadtarchivarin Karin Hockamp. Es handele sich bei der Siedlung um einen typischen Kotten, also einen kleinwirtschaftlichen Betrieb, der in der Zeit des Bevölkerungswachstums im 18. Jahrhundert als „Abspliss“ eines größeren Gutes entstand. Aus dem bitterarmen hessischen Goddelsheim machten sich – wie so viele andere junge Menschen – die beiden Brüder Johann Stefan Stracke (geb. 1753) und sein fünf Jahre jüngerer Bruder Johann Conrad auf den Weg in die Fremde, ins „Preußische“, um dort ihr Glück zu machen. „Die beiden jungen Hessen waren die Stammväter einer ganzen Dynastie, die hier im Raum Sprockhövel Familien gründeten und bald zu den etablierten und wirtschaftlich erfolgreichen Landwirten gehörten“, so Hockamp.
Die Brüder galten als fleißig und sparsam, konnten im Gegensatz zu den meisten Sprockhövelern lesen und schreiben und hatten, mutmaßt Karin Hockamp, vielleicht deshalb bei den Sprockhöveler Mädchen gute Chancen. Johann Stefan konnte in eine alteingesessene Familie einheiraten. 1778 führte er Catharina Sybilla Börger, Tochter vom „Börgers Gut“, auf der Burg zum Traualtar. Bruder Johann Conrad heiratete 1782 Catharina Maria, Tochter des verstorbenen Kötters und Kohlentreibers Peter Arnold Unterste Bruch, die mit ihrer Mutter und drei jüngeren Schwestern auf dem Untersten Bruch lebte. „Vielleicht hatte er schon vorher die Kohlentreiberei des verstorbenen Familienvaters übernommen und auf dem Kotten seinen Fleiß und seine Zuverlässigkeit bewiesen“, so Hockamp.