. Zu Geburtstagen trifft man sich immer noch in dem Bauernhaus zum Klönen. Neueste Nachrichten über Kinder und Enkel werden ausgetauscht.
„Ihr Hahn ist da“, hieß es in früheren Jahren, wenn Nachbarn vom Bauernhof „Am Mihr“ Fleisch bestellt hatten. Ein Treffpunkt für die Nachbarn war der Hof immer. Früher noch intensiver als heute. Professor Gerhard Rupp kann das als Nachbar des Hofes gut beurteilen, denn ihn interessiert schon lange die Entwicklung seiner Umgebung, in der nach wie vor Bauernhöfe eine zentrale Rolle spielten. Früher waren es mittelalterliche Streusiedlungen, die erst durch die Industralisierung zusammen gewachsen sind. 1486 wurde der Hof zum ersten Mal in einer Steuerverordnung erwähnt. „Da er im Sumpfgebiet stand, mussten die Besitzer nicht viel Steuern bezahlen, nur zwei Gulden im Jahr“, erklärt Gerhard Rupp.
Als Anna op den Miir (die Schreibweisen haben sich in den Jahrhunderten geändert) 1529 Witwe wurde, regelte sie ihre Besitzstände. Was soll wie vererbt werden. Damals habe der Hof noch aus zwei Teilen bestanden, sagt der Forscher. Heute wohnt noch eine fast 90-jährige Bäuerin im Hof „Am Mihr“.
Nachbar und Forscher Rupp kennt die Historie durch verschiedenen Epochen. Zwischen 1500 und 1600 grenzte der Stall meistens an die Küche des Wohnhauses. „Auf diese Weise heizte die Kuh den Wohntrakt mit.“ Dann gab es noch einen zweiten Teil, der viel später – 1850 – gebaut wurde. Er diente als Wohntrakt. „Das Gesindehaus aus frühen Tagen besteht noch aus Fachwerk, in dem ersten Teil, der hervorragend renoviert worden ist, wohnt jetzt die Tochter der Bäuerin. In dem Gebäude befindet sich auch eine Ferienwohnung, die gerne in Anspruch genommen wird.“
Dann gibt es noch weitere Häuser „Im Mirfelde“, ganz malerisch in einer Talsenke gelegen, das seien die Brüder- und Schwesternhäuser als Ausweichquartiere gewesen, berichtet der Heimatforscher. „Die Felder sind das Band, das die Häuser zusammenhält.“
„Das Umfeld hier heißt Große Kuh, eine Gemarkung, durch die der Paasbach fließt“, schildert Professor Gerhard Rupp die Gegend, die er sich zum Wohnen vor Jahren ausgesucht hat. Ein unverbaubarer Blick auf Wiesen und Felder, Streicheleinheiten für die Seele. Auch den Namen Große Kuh hat der Wahl-Niedersprockhöveler recherchiert. Früher sei es üblich gewesen, Flurnamen nach Tieren zu benennen. Wie zum Beispiel die Zeche Alte Haase.
Das Land rund um den Hof Am Mihr war früher ein wenig ertragreiches Land. Jeder, der es sich finanziell leisten konnte, versuchte einen Hof neben der Kirche zu bauen. Denn von dort aus waren die Wege kürzer, wer sich dort ansiedeln konnte, gehörte zu den Reicheren und man hatte Anschluss an die bessere Gesellschaft.
„Am Mihr“ ist auch heute noch, nach vielen Jahrzehnten, ein Treffpunkt für die umliegende Nachbarschaft. „Ich schätze, dass das Durchschnittsalter bei ungefähr 75 Jahren liegt“, sagt Rupp. Zum Beispiel bei Geburtstagen trifft man sich dort, um sich auszutauschen. Was machen die Kinder, wie geht’s den Enkeln.
Dann hört man solche Redensarten wie: Was willste machen? Eine Bestätigung dafür, dass man das Leben mit seinen vielen Wandlungen im Laufe der Jahre so hinnimmt wie es ist. Fast ein Ritual, das in einer immer kleiner werdenden Gemeinschaft Bestätigung ist und nicht wegfallen darf. Rupp erinnert daran, dass es in der Gegend früher tatsächlich mal 50 Kneipen gab. Die Zeiten ändern sich.