Ballett ist nicht nur eine Beschäftigung für Mädchen. Bei Marcos Souza Araujos in Sprockhövel tanzen in einem Erwachsenenkurs auch zehn ältere Frauen.

Ballett – das ist doch nur was für Kinder. Doch an der Sirrenberger Straße wird die Welt einfach auf den Kopf gestellt. „Beim Tanzen gibt es keine Altersgrenze“, sagt Marcos Souza Araujo, der in seiner Sprockhöveler Ballettschule eine Klasse mit Schülerinnen unterrichtet, die erst in späten Jahren mit dem Tanzen anfingen. „Denn mit Ballett trainiert man seinen Körper von Kopf bis Fuß“, sagt Souza Araujo, der von allen hier nur Marcos gerufen wird. „Es gibt nichts besseres.“

Seine Mädels packt der Ballettlehrer nicht mit Samthandschuhen an, bleibt dabei jedoch stets charmant. Ballett habe halt diese gewisse Strenge. „Aufgepasst, erste Position bitte“, leitet Souza Araujo die nächste Schrittfolge ein.

„Seit, plié, seit, plié, übertragen.“ Zu seichten Klavierklängen, die aus einer Anlage schallen, folgen die fünf Frauen den knappen Anweisungen ihres Coaches, der die Bewegungsfolgen seiner Tänzerinnen immer im Blick und sie korrigiert, wenn nötig. Schnell steht den Teilnehmerinnen die Anstrengung ins Gesicht geschrieben.

„Das bisschen Ärmchen und Beinchen schwingen ist viel anstrengender, als es aussieht“, sagt Bettina Oberste-Lehn, die nicht etwa in einem Tutu im Trainingsraum steht, sondern schlicht und sportlich gekleidet ist – und damit ganz nebenbei das nächste Klischee entkräftet: Balletttänzerinnen tragen keine über­kan­di­delten Trainingsoutfits.

Die 48-Jährige ist auf die Ballettschule über die Medien aufmerksam geworden. „Ich habe ihn im Fernsehen gesehen“, erzählt sie. Und seit einiger Zeit ist sie nun selbst dabei. Edeltraut Rottschy (62) tanzt nunmehr seit etwa drei Jahren Ballett, ist jedoch schon an der Schule, seit sie geöffnet hat. „Ich war zuvor bei Marcos im Stretchingkurs.“ Das Training zahle sich bereits aus. Sie habe eine bessere Haltung, ein ganz anderes Lebensgefühl. „Man wächst durch die Herausforderung.“ Aber sonst habe sie keine Verbindung zum Ballett.

Auch die 56-jährige Margarete Triebe hat im Stretchingkurs angefangen. und wechselte dann in die Erwachsenengruppe. „Ich habe bereits vorher orientalischen Tanz gemacht“, erzählt sie. Doch Ballett sei immer so etwas wie ein Kindheitstraum gewesen. Also rief sie kurzerhand bei Marcos an „obwohl ich weder jung war noch eine Ballettfigur habe.“ Es ist das dritte Ballettklischee, das an der Sirrenberger Straße entkräftet wird. „Ballett ist Kunst“, habe Marcos damals zu Margarete Triebe gesagt. „Damit hat er mich gefangen.“ Doch musste sie viel Geduld mitbringen. „Ich habe bestimmt ein Jahr lang trainiert, bis ich merkte, dass ich mehr Kraft habe.“ Erzähle sie Bekannten von ihrem Hobby, ernte sie zumeist Erstaunen, Bewunderung.

Manuela Röhr tanzt seit etwa anderthalb Jahren bei Marcos. „Eigentlich habe ich was für meine Tochter gesucht“, erzählt sie. Ballett sei für sie auch Gehirnjogging. „Es ist schwer, sich die Abfolgen einzuprägen.“ Und Cindy, die fünfte im Bunde – eigentlich tanzen zehn Frauen im Erwachsenenkurs, von 13 bis 62 Jahren – hat heute ihre erste Stunde. „Aber bestimmt nicht meine letzte.“