Sprockhövel / Hattingen. Pfarrerin Heike Rienermann vertritt Superintendent Ingo Neserke für ein Studiensemester. Sie freut sich über Gestaltungsmöglichkeiten und hat Respekt vor Verantwortung.
Superintendent Ingo Neserke hat für ein Studiensemester Hörsaal mit Kanzel getauscht, nun steht eine Frau an der Spitze des Evangelischen Kirchenkreises Hattingen-Witten: die Sprockhöveler Pfarrerin Heike Rienermann. Seit April ist Neserkes Stellvertreterin nun Chefin von rund 700 Mitarbeitern. WAZ-Redakteurin Sabine Kruse sprach mit ihr über die Lust und Last des Führens, über ihre Karriere-Ambitionen und über die Fusion ihrer Kirchengemeinde mit Bredenscheid-Stüter.
Frau Rienermann, wie gefällt Ihnen Ihr neuer Job?
Heike Rienermann: Ehrlich gesagt, lässt sich die Frage gar nicht so leicht beantworten. Es gibt Angenehmes und weniger Angenehmes.
Zunächst bitte das Angenehme.
Gerade die pastoralen Aspekte meiner Position haben mir sehr viel Freude bereitet. Ich habe als Superintendentin zum Beispiel in Witten Diakonissen einsegnen dürfen und bin dabei sehr taffen Frauen begegnet, die ich sonst vermutlich eher nicht kennengelernt hätte. Auch ein Gottesdienst zum Abschluss einer Fortbildung für Seelsorgende im Ehrenamt hat mir gut gefallen, weil ich glaube, dass in solchen Projekten die Zukunft der Kirche liegt: Menschen mit ihren Kompetenzen wahrnehmen und fördern und so ein qualifiziertes Ehrenamt stärken. Und die Kreiskirchensynode im Mai in Witten vorzubereiten und zu leiten, war ebenfalls eine interessante Erfahrung. Aber ich habe auch schnell gemerkt, wie sehr dieses Amt einen fordert. Und dass es Aufgabenbereiche umfasst, die nicht so meins sind.
Als da wären . . .?
Im Büro in Witten etwa erwartet mich jeden Tag aufs Neue jede Menge Schreibkram (mit ihren Händen deutet sie einen 30-Zentimeter-Aktenberg an), ich muss teils sehr schwierige Personalgespräche führen, viele Sitzungstermine wahrnehmen und mich in manche Bereiche wie Finanzen und Verwaltung ganz neu einarbeiten. Die Kindergartenfinanzierung etwa ist ein höchst komplizierter Arbeitsbereich. Gerade diese enorme Verantwortung für die strukturelle und finanzielle Zukunft des gesamten Kirchenkreises zu tragen, enthält nicht nur die Lust am Gestalten, das kann auch eine große Last sein. Zumal ich betriebswirtschaftlich ja gar nicht ausgebildet bin, da fühle ich mich auf unsicherem Parkett.
Als Synodalassessorin, als die Sie seit 2012 im Leitungsgremium des Kreissynodalvorstandes sind, mussten Sie damit rechnen, Herrn Neserke mal vertreten zu müssen.
Das ist richtig, aber die Vorstellung daran hat mir auch durchaus immer auch etwas Unbehagen bereitet. Insofern bin ich nun froh und dankbar, dass ich die Chance hatte, einmal in das Aufgabenspektrum einer Superintendentin hineinschnuppern zu können und zu wissen, was mich erwartet. Ängste, Herrn Neserke noch einmal kurzzeitig vertreten zu müssen, habe ich jedenfalls nicht mehr.
Können Sie sich vorstellen, sich einmal auf eine Superintendenten-Stelle zu bewerben?
Um es klar zu sagen: Die Einsamkeit des Amtes, die Tatsache, dass sich im Superintendenten-Amt alle Verantwortung in einer Person konzentriert, das ist strukturell nicht so meins. Ich bin, glaube ich, eine gute Gemeindepfarrerin. Aber eine Superintendentin auf Dauer? Nein!
Die Vereinigung ist auf einem guten Weg
Hat die Auszeit von Ingo Neserke Sie überrascht?
Rienermann: Was heißt überrascht? Als er mir ankündigte, dass er sich ein Semester weiterbilden möchte, habe ich als seine Stellvertreterin zunächst geschluckt. Zwar begrüße ich es grundsätzlich sehr, dass er sich getraut hat, diese Möglichkeit, die die Evangelische Kirche von Westfalen uns allen nach zehn Berufsjahren einräumt, in Anspruch zu nehmen – übrigens als erster in einer solchen Position. Aber: Sein Studiensemester fällt ja in eine Zeit großer Veränderungen in meiner Gemeinde.
Sie sprechen von der Fusion, die die Evangelischen Kirchengemeinden Sprockhövel und Bredenscheid-Stüter gerade vollzogen haben.
Genau. Und vor einem Jahr hatte dieser Entwicklungsprozess ja längst begonnen. Ich habe damals gedacht: In dieser so wichtigen Entwicklungsphase kannst du deine Gemeinde doch nicht allein lassen, die Menschen in Sprockhövel brauchen dich hier.
Wie haben Sie den Spagat trotzdem geschafft?
In mehreren Gesprächen mit meinen Pfarrkollegen Martin Funda und Arne Stolorz haben wir ein Organisationsmodell gefunden, das mir Freiräume bietet für die Arbeit in der Superintendentur. Und Andreas Herzog, der nach dem Ende seines Vikariats bei uns ja ursprünglich schon im April einen anderen Dienst in Herbede antreten sollte, geht dorthin erst zum 1. August. Er hat zuletzt meine Besuchsdienste, meine Beerdigungen und meine Arbeit mit den Konfirmanden übernommen.
Und wie zufrieden sind Sie mit dem Vereinigungsprozess?
Wir sind auf einem guten Weg. Insbesondere strukturell haben wir schon einiges geschafft: Die Pfarrbezirke sind sortiert, die Gottesdienstplanung läuft, die Zusammenlegung der Haushalte zum 1. Januar ist in Arbeit. Emotional wird es allerdings wohl noch etwas dauern, bis wir alle auch ein Wir-Gefühl entwickelt haben. Dazu braucht es einfach Zeit und viele gemeinsame Erfahrungen. Aber warum sollte uns das Zusammenwachsen nicht gelingen?