Oberhausen. Geld, Steuern, Villen: Königshardt siegt beim Stadtteil-Check. Über die Vorteile in Oberhausens Norden – und was die Bewohner trotzdem stört.

Bewegungsmelder und Kameras, Außensprechanlagen und sogar Gardinen, wahrscheinlich mit Goldkante, findet man in Oberhausen-Königshardt zuhauf. Die Häuser sind oft Villen, die Rasenkanten sind wie mit der Nagelschere geschnitten und sie haben Zäune, über die selbst Dirk Nowitzki keinen Blick werfen könnte. Hier im Norden ist zwar nicht jeder reich, aber „haste mal ‘nen Euro“ fragt keiner. Was also macht Königshardt so charmant und anziehend für Menschen, die gutes Geld verdienen?

Dieter Janßen (73), ehemaliger Bezirksbürgermeister der SPD, beim Rundgang durch die Walsumermark und durch Königshardt im Oberhausener Norden.
Dieter Janßen (73), ehemaliger Bezirksbürgermeister der SPD, beim Rundgang durch die Walsumermark und durch Königshardt im Oberhausener Norden. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

„Die Natur und die gute Infrastruktur hat ihren Reiz“, sagt Dieter Janßen (73). Der ehemalige Bezirksbürgermeister von Sterkrade lebt selbst seit 1989 in Königshardt. Er wohnt in einem schicken Wohnhaus, nein, es ist keine Villa. Sein Garten ist trotzdem sehr gepflegt. „Wenn ich im Hochbeet hacke, ist mein Nachbar auch bald draußen.“

Nachbarn achten aufeinander

„Nachbarn“, sagt er, „achten aufeinander – im Guten, wie im Schlechten“. Sozialkontrolle nennt Dieter Janßen das scherzhaft; und weil Königshardt beim Stadtteil-Check unserer Redaktion erneut hervorragend abschneidet, zeigt er gern seine Heimat. Und ja, die Ecken, die das Klischee des „reichen Nordens“ bedienen, sind dabei. Doch das Arm-Reich-Gefälle ist ohnehin kein Geheimnis mehr.

Was auffällt: In Königshardt haben fast alle Menschen Arbeit, lediglich 2,3 Prozent der Arbeitslosen Oberhausens leben hier. Hartz IV-Empfänger gibt es praktisch (3 Prozent) keine, obwohl die Stadt damit ein massives Problem hat. Jeder Bürger hat zudem fast 50 Quadratmeter Wohnfläche für sich allein zur Verfügung. Dieter Janßen nennt Königshardt daher: „gut durchmischt“. Zur Wahrheit gehört jedoch genauso: Nur etwa jeder zehnte Bürger (11,2 Prozent) hat einen Migrationshintergrund, wohingegen die Innenstadt mit über 55 Prozent deutlich mehr an Integrationsarbeit leistet.

Scheinbar mitten im Kornfeld wohnt man in Königshardt, hier die Hochhäuser an der Königshardter Straße.
Scheinbar mitten im Kornfeld wohnt man in Königshardt, hier die Hochhäuser an der Königshardter Straße. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Was die Menschen jenseits der Marktstraße anzieht, zählt der Sozialdemokrat markig auf: „Wir haben Kitas, Grundschulen und eine gute Busverbindung für ältere Schüler. Es gibt Hausärzte, Einkaufsmärkte und viele Einzelhändler. Aber vor allem haben wir den Wald zur Erholung.“

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Am Rande des Naturschutzgebietes des Hiesfelder Waldes liegt die Immenstraße. Porsche, BMW, Range Rover: Wer hier lebt, fährt offenbar gern mit ein paar Pferdestärken mehr. Flache Dächer und klare Formen künden von weitem: Bauhaus, Bauhaus, Bauhaus. In den Vorgärten stehen stählerne Skulpturen und der Gartenzwerg ist in der Immenstraße ein mannshoher Samurai.

Villen prägen die neu entstandene Wohnbebauung am Weiselweg in der Walsumermark (Oberhausen-Königshardt), nahe der Immenstraße.
Villen prägen die neu entstandene Wohnbebauung am Weiselweg in der Walsumermark (Oberhausen-Königshardt), nahe der Immenstraße. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Die Leute grüßen zwar freundlich und überall wird Gartenarbeit verrichtet; ein wenig kritisch beäugt fühlt man sich trotzdem. Es ist wie auf dem Dorf, wo der Städter sofort auffällt, weil er noch auf keinem Dorffest Korn getrunken hat.

Ungewohntes Treiben auf der Straße

Ein älterer Herr steht am Fenster seines Erkers und beobachtet das ungewohnte Treiben auf der Straße. Als er sich entdeckt fühlt, zieht er sich schnell hinter seine weiße Gardine zurück. Ein Villa weiter legt ein Mann mit großen Gartenhandschuhen gerade die elektrische Heckenschere beiseite. Er pustet durch. Er erzählt.

„Ich bin Schmachtendorfer, möchte aber hier nicht wohnen“, sagt Frank Gerlach (49). Den Garten der Villa pflegt er in seinem Urlaub unentgeltlich. Die Besitzerin des Hauses schafft es allein nicht. Er hilft ihr. Die Nachbarschaft sei voll von zugezogenen Anwälten oder Apothekern „oder so“. In Schmachtendorf sei alles familiärer. „Da kennt man sich. Klar sind die Häuser echt schön – ist trotzdem nix für mich.“

Ein paar Prunkbauten weiter werkelt Rolf Schwan in der Meisenstraße an seinem Carport. Sein Haus hat keine avantgardistische Aura. Maloche liegt in der Luft. Der 67-Jährige gehöre zu den „Ureinwohnern“ Königshardts, erklärt er. „Doch die Gegend hat sich verändert.“

Rolf Schwan (67), Anwohner der Meisenstraße in Oberhausen-Königshardt, spricht über das Verhältnis von Alt- zu Neuansiedlern in der Walsumermark.
Rolf Schwan (67), Anwohner der Meisenstraße in Oberhausen-Königshardt, spricht über das Verhältnis von Alt- zu Neuansiedlern in der Walsumermark. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Auf seiner Straße seien zwar fast alle Nachbarn irgendwie miteinander verwandt, weil sie Nachfahren der Luft-Dynastie seien, die um 1776 herum aus der Pfalz in den Norden Oberhausens kam und sich das Land aneignete. Mittlerweile wende sich das Blatt. „Drei Viertel der Anwohner sind zugewandert. Manche bleiben, manche sind nur kurz da.“

Das Bundeskriminalamt ermittelte in Königshardt

Wenige Häuser aufwärts der Meisenstraße habe zum Beispiel das Bundeskriminalamt ermittelt. „Das ging wohl nicht mit rechten Dingen zu.“ Die teuren Luxuskarossen in der Gegend sind ihm auch aufgefallen. „Letzten Winter hatten wir einen Porsche im Vorgarten.“ Der Fahrer habe die Kurve vor seinem Haus nicht bekommen und das, obwohl Tempo 30 gilt. Nachbarschaft ist für Rolf Schwan eine Frage der Einstellung. „Viele denken, weil sie Geld und ein teures Haus haben, sie hätten Königshardt mitgekauft und deswegen ist es hier nicht mehr so, wie es mal war.“

Unzufrieden mit den Parkmöglichkeiten

Was im direkten Gespräch auffällt: Auch im weitläufigen Norden sind die Bewohner unzufrieden beim Thema Parken. Rolf Schwan nervt die Situation vor allem an den Wochenenden. Dann kommen die Jogger und Spaziergänger und parken alles zu. „Die wollen laufen und vorher bloß keinen Schritt zu viel machen.“

In Königshardt wohnen auch ganz normale Mieter, nicht nur Villenhaus-Eigentümer: Mehrgeschossige Groß-Wohnanlagen stehen hinter den zweigeschossigen Wohnhäusern an der Matzenbergstraße.
In Königshardt wohnen auch ganz normale Mieter, nicht nur Villenhaus-Eigentümer: Mehrgeschossige Groß-Wohnanlagen stehen hinter den zweigeschossigen Wohnhäusern an der Matzenbergstraße. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Dennoch bleibe Königshardt ein Rückzugs- und ein beliebter Zuzugsort für Familien, sagt Dieter Janßen. Fußballverein, Tennisclub, eine rührige Interessengemeinschaft: Was wolle ein glücklicher Bürger mehr? „Klar regen wir uns hier auch mal auf“, gesteht er. Wenn zum Beispiel eine Baustelle vier Wochen lang die Nebenstraßen, die sonst seelenruhig sind, verstopfen und ungewohnter Lärm herrscht. Ansonsten jedoch sei Königshardt lebenswert, sagt Dieter Janßen. „Die Leute wollen hierher, weil’s immer noch schön ist.“

Wie alle Stadtteile unserer großen Umfrage abgeschnitten haben, lesen Sie hier.

14 Fragen an Lesern für den Stadtteil-Check

Im Februar 2020 haben wir Leserinnen und Leser aufgefordert, 14 Fragen zu beantworten. Mitgemacht haben 3490 Leserinnen und Leser aus Oberhausen. Sie beantworteten mindestens zehn der 14 Fragen, die folgendermaßen lauteten:

In welchem Stadtteil leben Sie?

Wie beurteilen Sie die Sicherheit in Ihrem Stadtteil?

Wie bewerten Sie den Einsatz von Kommunalpolitikern und Stadtverwaltung für Ihren Stadtteil?

Wie beurteilen Sie die Sauberkeit in Ihrem Stadtteil?

Wie bewerten Sie den Nahverkehr in Ihrem Stadtteil?

An die Autofahrer: Wie ist die Parkplatzsituation in Ihrem Stadtteil?

Wie beurteilen Sie die medizinische Versorgung in Ihrem Stadtteil?

Wie beurteilen Sie die Seniorenfreundlichkeit in Ihrem Stadtteil?

Vergeben Sie eine Schulnote für die Kinderfreundlichkeit in Ihrem Stadtteil.

Vergeben Sie eine Schulnote für die Einkaufsmöglichkeiten in Ihrem Stadtteil.

Wie ist das gastronomische Angebot in Ihrem Stadtteil?

Wie beurteilen Sie das Freizeit- und Naherholungsangebot in Ihrem Stadtteil?

Vergeben Sie eine Schulnote für das Gemeinschaftsgefühl in Ihrem Stadtteil.

Wie gerne leben Sie in Ihrem Stadtteil? Welche Gesamtnote geben Sie Ihrem Stadtteil?

Umfrage ergibt ein gutes Stimmungsbild

Die Umfragen „Stadtteil-Check“ liefern ausdrücklich keine repräsentativen Ergebnisse, weil die Teilnehmer nicht gezielt nach sozio-demografischen Merkmalen ausgewählt wurden, sondern selbst nach Aufrufen über ihre Teilnahme entschieden haben. Die Umfrage-Resultate geben die subjektive Meinung wieder.

Anna Moya, die für die Auswertung zuständige Statistik-Expertin der Funke Mediengruppe.
Anna Moya, die für die Auswertung zuständige Statistik-Expertin der Funke Mediengruppe. © FUNKE Foto Services | MATTHIAS GRABEN

Aber: „Der Stadtteilcheck liefert wegen der sehr großen Beteiligung ein gutes Stimmungsbild“, sagt Dr. Ana Moya, die für die Auswertung zuständige Statistik-Expertin. „Es wurde darauf geachtet, dass in jedem Stadtteil eine ausreichende Teilnehmerzahl erreicht wurde.“

Die berücksichtigten Teilnehmerzahlen reichen von 50 (Brücktorviertel) bis 337 (Alstaden). Eine Ausnahme bilden Vondern und Vonderort. Dort hatten zu wenige Leser (16 und 5) teilgenommen, gleichwohl geben wir die Benotungen in den Übersichten der Vollständigkeit halber an. Die Umfrage fand im Februar 2020 statt – die Auswertung wurde wegen der Corona-Pandemie auf das zweite Halbjahr 2020 verschoben.