Oberhausen. . Der Osterfelder mosert gerne, sagt Pfarrer Ulrich Samse, dabei hat die Mitte – trotz Leerständen und manchen Schandflecks – viel zu bieten. Wenig Kohle, viel Herz – auf diesen Nenner lässt sich die Osterfelder Mitte bringen, findet Samse.

Wenig Kohle, viel Herz – auf diesen Nenner lässt sich die Osterfelder Mitte bringen, findet Ulrich Samse. Als Pfarrer der Ev. Auferstehungskirchengemeinde und Osterfelder hat er seit 32 Jahren Einblick in die Seele der Menschen gewonnen: „Bei meinen Besuchen in den Familien erlebe ich viel Solidarität.“ Auch wenn das alte soziale Gefüge – der Zusammenhalt wie noch zur Zeit der Kumpel und Bergmänner – äußerlich längst „zerstreut zu sein scheint“, wie der Pfarrer sagt. Der Strukturwandel hat die Mitte erreicht, überholt, in der die Zeichen von damals in Form der Bergmannskapelle nahe des Wappenplatzes deutlich zu sehen sind. Was aber ist im Viertel an dessen Stelle getreten?

Immer was los

Vielleicht die offene, lebendige Straßenkultur? Sitzt man nur zehn Minuten auf einer Bank am Wappenplatz hört man mindestens drei verschiedene Sprachen: etwa Deutsch, Türkisch, Polnisch. „Hier ist immer etwas los“, sagt Samse, auch wenn die Sonne mal nicht nach draußen lockt.

Engagement kann viel bewegen

In den vergangenen Wochen machte unsere Stadt Oberhausen Schlagzeilen mit ihren immensen Schulden – was bundesweit ihr Image nicht gerade verbessert. Die Oberhausener lassen sich davon nicht beirren – viele Bürger sind leidenschaftliche Bewohner ihrer Stadt. Das haben die Geschichten aus den Stadt- und Ortsteilen des Nordens gezeigt.

Die Experten aus Osterfeld, Sterkrade, aus Rothebusch, Klosterhardt und Vondern, aus Königshardt und Schmachtendorf, Holten und der Walsumermark, Biefang und Buschhausen, Tackenberg und Schwarze Heide/Alsfeld, Stemmersberg und Eisenheim haben uns Einblicke vermittelt in ihre Welt. Sie haben nicht hinterm Berg gehalten mit Schwächen ihres Viertels – seien es fehlende Treffpunkte für Jugendliche, mangelnde Sauberkeit, fehlende Parkplätze oder leer stehende Immobilien.

Aber sie haben uns auch gezeigt, dass ihr Viertel für sie Heimat ist. Klaus Bielecki (Buschhausen) hat es auf den Punkt gebracht: „Die Oberhausener sind keine Wandervögel.“

Von den Fachleuten vor Ort haben wir erfahren, dass Nachbarschaft etwas zählt, dass Helfen für viele kein Fremdwort ist und hinter mancher Fassade ein interessanter Mitbürger lebt.

Eine der wichtigsten Erkenntnisse aus all diesen Rundgängen aber ist, dass sich Engagement lohnt. Es hat sich gezeigt, dass überall da, wo die Menschen sich um das kümmern, was vor ihrer Haustür geschieht, vieles gelingen kann. Das gilt im Besonderen für die Jugendarbeit der vielen Vereine und Kirchengemeinden, die gerade in Zeiten der hohen Verschuldung und damit chronisch leerer Kassen immer mehr aufs Ehrenamt angewiesen sind.

Wo früher ein deutscher Schreibwarenladen stand, ist nun ein türkischer Gemüsehändler, der aber von allen Nationen besucht wird. Es gibt einen Discounter, ein Lebensmittelgeschäft, Buchhandlung, Optiker, Bäcker, Blumenverkäufer, Fleischer, Apotheke, Textilhandel, Friseur, Eiscafé, Bistro, freie Parkplätze, einen Markt. Außerdem, meint Samse, sei auch die medizinische Versorgung gut – warum spricht der Osterfelder dann so selten positiv über sein Viertel?

Auch hier hilft der Blick in die Seele: „Mosern gehört zum Menschenschlag“, meint der Pfarrer, betont aber auch: „Der Einzelhandel kämpft hier um seine Existenz. Es gibt Leerstände, echte Schandflecke wie das Erwig-Haus, das seit Jahren leer steht.“ Eine Sanierung wäre teuer, zu teuer.

Schön hingegen: Die neuen Mietshausfassaden an der Vestischen und Kettlerstraße. „Die sahen einmal aus wie ein begossener Pudel“, freut sich Samse über den Wandel. Der gemeinnützige Wohnungsbau mache hier viel.

Jugend jetzt und hier

Vielleicht rückt die Jugend an die Stelle der Tradition? Hier macht sie noch einen großen Teil aus. „Sie ist nicht die Zukunft, sondern jetzt und hier“, betont Ulrich Samse. Mehr Jugendarbeit, besonders solche, die Migrantenkinder mit ins Boot holt, wäre wichtig. Die ev. Gemeinde muss in Zukunft ihre Stätte an der Michelstraße aufgeben. Das Gebäude ist zu teuer, die Jugendarbeit soll aber nur an die Koppenburgstraße umziehen.

Höchste Arbeitslosenquote in Oberhausen

Osterfeld-Mitte und Vonderort erfasst das Statistikamt in einem Sozialraum. Die Ortsteile haben einen jungen Altersdurchschnitt: Ähnlich wie in Osterfeld-Süd ist jeder Fünfte ein Kind oder Jugendlicher (bis 17 Jahre), 18- bis 24-Jährige machen etwa 9 % der Bevölkerung aus, weniger als 20 % sind 65 Jahre alt oder älter. In Osterfeld-Mitte/Vonderort leben 10 256 Menschen, das ist die zweithöchste Bevölkerungsdichte im Norden. Mit 12,2 % gibt es hier die höchste Arbeitslosenquote (OB: 8,6 %). Die Mehrzahl der Anwohner (ca. 40 %) gehört keiner christlichen Konfession an.

Ein wichtiges Jugend-Projekte gibt es im Eine-Welt-Laden an der Bottroper Straße. „Wer hier mitmacht, kann mitreden, wie die Erlöse verwendet werden“, so Samse. Mitbestimmung, Verantwortung – das motiviert nicht wenige, die Konfession spielt dabei übrigens keine Rolle. Ebenso gelte das für die anderen Angebote, die die ev. Gemeinde im Viertel mache.

Osterfeld hält viele Über-raschungen parat: Eine ist Ottos Musikladen. Helge (Schneider) kauft hier ein, DJ Quicksilver und die Backstreet Boys waren auch mal hier: „Sie wollten ein Early-Ball-Pedal“, grinst Otto Flögel. Ihre Adresse? „Arenastraße.“

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