OBERHAUSEN. Das seit Jahren größte Ansiedlungsprojekt wurde in der Bezirksvertretung durchgewunken. Auch im Planungsausschuss gab es nur eine Wortmeldung.

Mindestens 600 Seiten Sitzungsvorlagen gibt es für die Ansiedlung des Edeka-Zentrallagers auf der früheren Kohle-Haldenfläche nördlich der Weißenstein­straße mitsamt Bau einer Umgehungsstraße dafür. Zwei Bebauungspläne soll der Rat der Stadt am Montag, 24. September, beschließen. Die Bezirksvertretung Sterkrade verzichtete jetzt darauf, sich damit zu beschäftigen.

Die SPD bat in der Bezirksvertretung darum. Man habe noch Beratungsbedarf, erklärte Hubert Cordes und verwies auf die spätere Sitzung des Planungsausschusses des Rates. Aber auch dort gab es, wie berichtet, nur eine einzige Wortmeldung zu dem Projekt mit mehreren Fragen von Ulrich Real (SPD). Damit blieben vielfältige Probleme und alternative Lösungswege ebenso unerwähnt wie teils gewichtige Bedenken.

Zentrallager für 1000 Filialen

Auf 393 000 qm beläuft sich allein das Plangebiet für das Zentrallager. Es gehört der Ruhrkohle-AG, liegt seit 2002 brach. Auf 279 000 qm davon ist der Bau des Lagers vorgesehen. Es handelt sich um eine 100-Millionen-Euro-Investition. Rund 1000 Menschen sollen dort ab 2020 rund um die Uhr Lagerarbeit finden. 500 Arbeitsplätze werden aber vom bisherigen Zentrallager in Moers nach dort verlagert. 1000 Edeka-, Marktgut- und Trinkgut-Märkte sollen von dort beliefert werden. An Stelle der heutigen Flüchtlingsun­terkunft an der Weierstraße weist die Planung ein weiteres kleines Gewerbegebiet von 6000 qm aus.

Wiedernutzung einer Industriebrache

Aus übergeordneten Gesichtspunkten ist das Projekt deshalb sogar erwünscht, weil es sich um die Wiedernutzung einer Industriebrache handelt. Dadurch wird also nicht ins bislang unbebaute Umland ausgegriffen. Dem Ziel, Neuversiegelung von Flächen zu verringern, entspricht es dennoch nicht. Danach dürften in Oberhausen pro Jahr nur 155 000 qm neu überbaut werden. Allein durch das neue Gewerbegebiet sind es aber in einem Jahr 225 400 qm. Es handele sich halt, heißt es, um die letzte größere, gewerblich nutzbare Fläche im Stadtgebiet.

Probleme mit nötigen Ausgleichsmaßnahmen für die Natur gibt es kaum. Dabei hat die Natur sich das Areal inzwischen teilweise zurückerobert. Für Indus­triebrachen gilt jedoch die „Natur-auf-Zeit-Regelung“, wonach dafür kein Ausgleich geschaffen werden muss. Da das Gelände heute eingezäunt sei, heißt es, diene es nicht für die Naherholung.

Auskoffern wegen der Teerbelastung

Probleme gibt es indessen mit dem ungewöhnlich starken Vorkommen der Kreuzkröte. Trotz einiger weit entfernt vorgesehener Ersatz-Lebensräume, so in Vondern, werden nur knapp 200 000 qm dafür nachgewiesen, nötig wären 320 000 qm.

Hohe Bodenbelastungen vor allem im Osten des Areals stammen von der früheren Teerverwertung auf der Zeche. Um das Gelände baureif zu machen, wird bis zu 3,50 Meter tief ausgekoffert und mit unbelastetem Material wieder aufgefüllt.

Auch muss die erhebliche Lärmbelastung durch die A 3 nicht berücksichtigt werden, da die Geräuschentwicklung im künftigen Gewerbegebiet deutlich unter der dafür zulässigen Obergrenze bleibt. Kritische Konzentrationen an Luftschadstoffen lassen sich nur in der Mitte der A 3 feststellen. In der Umgebung lassen die Grenzwerte dagegen noch Spielräume frei.

Der Deutsche Wetterdienst warnte vor erheblichen ungünstigen Auswirkungen für das lokale Klima. Die Wohngebiete Erlen-, Tannen-, Kiebitz- und Weißensteinstraße werden künftig durch das Hochregallager, das eine Höhe von zwölf Stockwerken hat, von der Kaltluftzufuhr abgeschnitten. Dort kühlt es sich nach künftigen heißen Sommertagen nicht mehr gut ab.

Beträchtliche optische Wirkung

Auch die optische Wirkung gilt als beträchtlich. Die heutige Weite der Fläche gehe verloren, heißt es im Umweltbericht. Aber der Bebauungsplan mache weder Vorgaben zur Dach- und Fassadenbegrünung noch zur möglichst geringen Aufheizung der Gebäude. Auch würden die Gebäude nicht so ausgerichtet, dass die Frischluft wenigstens zwischen ihnen hindurchströmen kann.

Das Areal verfügt zwar über einen Gleisanschluss, aber der soll nicht zur Anlieferung der Ware genutzt werden. Der Mehrverkehr beträgt pro Tag 1500 Pkw und 2000 Lkw.

Eine reine Erschließungsstraße

Da Weißenstein- und Erlenstraße den neuen Verkehr nicht verkraften würden, entsteht eine Umgehungsstraße. Obwohl auch sie bisherige Freiflächen zerstört, greift eine Ausnahmeregel: Die Straße wird als reine Erschließungsstraße dargestellt, obwohl sie auch Durchgangsverkehr aufnehmen wird. Beschränkungen des Flächenverbrauchs gelten dafür nicht. Der Wert der Freiflächen gilt aber wegen des Autobahnlärms und der Bodenbelastungen als gering. Die Länge der Straße beträgt 1,7 km. Die nötige Abholzung von 6000 qm Wald wird durch Aufforstungen ausgeglichen. Eine bisherige Agrarfläche wird künftig zum 18800 qm großen Gewerbegebiet.

Die neue Straße verlangt es, die Zufahrt zur A 3 in Holten umzubauen. Denn ei­nen zusätzlichen Anschluss an die A 3 gibt es nicht. Bis zum Bundesverkehrsministerium hat man laut Umweltbericht aber gar nicht vorgesprochen. Der geplante achtspurige Ausbau der A 3 lasse es nicht zu, heißt es.

Um den Verkehrslärm im Bereich südliche Erlenstraße/Königstraße einzudämmen, sind gleich drei Lärmschutzwände vorgesehen, ausserdem bauliche Maßnahmen an Wohnhäusern. Trotzdem wird der Umbau von Betroffenen abgelehnt. Für die östliche Weißen­stein- und die nördliche Erlenstraße ergibt sich im Gegenzug ein deutlicher Verkehrsrückgang. Für den Lärmschutz im Gewerbegebiet Im Erlengrund gilt „Flüsterasphalt“ auf der neuen Straße als ausreichend.

Erschütterungen, die davon bei künftig über 3000 Lkw pro Tag auf einen nur 15 Meter entfernt gelegenen, feinmechanischen Spezialbetrieb einwirken, sollen erst nachträglich untersucht werden. Dabei gefährden sie die Existenz des Betriebs. Die neue Straße führt durch den Grüngürtel dieses Gewerbegebiets. Die dafür nötige Umwidmung im Nachbar-Bebauungsplan Nr. 437 steht noch aus.

Die berechneten Dauerlärmpegel bleiben vielfach nur knapp unter der Grenze hin zur gesundheitlichen Beeinträchtigung Betroffener. Auch verläuft die Straße innerhalb des Sicherheitsabstands zum Risikobetrieb Oxea-Ruhrchemie. Bei weniger als 10 000 Fahrzeugen am Tag gilt das Risiko als hinnehmbar. Die Prognose lautet auf 9000 Fahrzeuge.