Oberhausen/Schmachtendorf. . Die Flüchtlinge, die knapp vier Monate lang in der evangelischen Kirche Schmachtendorf wohnten, haben größtensteils Fuß gefasst in Oberhausen.
Zwischen Orgel und Altarkreuz der evangelischen Kirche an der Kempkenstraße lebten vor einem Jahr Flüchtlinge. Vier Monate nutzte die Stadt die Notunterkunft. Die Helfer von damals kümmern sich noch immer um „ihre“ Schützlinge – mit vielen kleinen Erfolgen.
Eine Backsteinkirche von 1906 als Notunterkunft für Flüchtlinge? Warum nicht, sagte sich vor gut einem Jahr eine evangelische Kirchengemeinde und krempelte die Ärmel hoch. Knapp vier Monate lang lebten insgesamt 18 Familien in dem Gotteshaus im Stadtteil Schmachtendorf – Muslime, Christen und Jesiden aus Syrien, Bangladesch, Mazedonien, Irak und Iran. Die Gemeinde war damals eine der ersten, die ihre Kirche in der Flüchtlingskrise zur Verfügung stellte. Für insgesamt 75 Menschen war das Gotteshaus Herberge auf Zeit. Sie sind inzwischen in Wohnungen umgezogen und haben in Oberhausen größtenteils Fuß gefasst.
„Die Kirche hat einen Schutzraum herstellen können, in dem die Menschen sich öffnen konnten“, sagt Stefanie Dohmen. Die 50-Jährige gehört zum Helferkreis, der sich vor gut einem Jahr gebildet hat. Er nennt sich jetzt „Da-Sein Für-Einander“ und unterstützt, wo immer es nötig ist. Sogenannte Paten kümmern sich um die Familien aus der Kirche. Zum Beispiel die frühere Grundschullehrerin Margret Hübner. Als die 74-Jährige hörte, dass Hilfe benötigt wird, meldete sie sich und unterrichtete Kinder. Bei einer syrischen Familie wurde sie später Patin.
Vor dem Bürgerkrieg geflohen
„Wenn was anliegt, schicken sie mir Fotos von Briefen, die sie von Ämtern oder der Krankenkasse bekommen. Beide sprechen noch kein Deutsch, nur so ein paar Bröckchen. Wenn was Wichtiges anliegt, holen wir einen Dolmetscher dazu.“
Nicht alle Schmachtendorfer waren damals begeistert von dem Angebot der Kirchengemeinde an die Stadtverwaltung. Es gab auch Nachbarn, die die Notunterkunft ablehnten und aus ihrem Unmut keinen Hehl machten. Einige traten sogar aus der Kirche aus. Der Ärger habe sich aber inzwischen gelegt, sagt Daniela Handwerk (37), die ebenfalls in direkter Nachbarschaft zur Kirche wohnt.
In der Gemeinde kamen Menschen wie Aiham Al Saleh unter. Der 34-Jährige hatte in der syrischen Stadt Zabadani im Grenzgebiet zum Libanon mit seinem Vater einen Supermarkt und zwei kleine Restaurants betrieben. Mit seiner Frau Nour Saleh (28) und den beiden 7 und 9 Jahre alten Söhnen floh Al Saleh vor dem Bürgerkrieg.
Derzeit besucht er einen Integrationskurs und nimmt an einer Maßnahme teil, die ihm bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt geben soll. Der 34-Jährige hat schon in einem Lagerhaus gearbeitet und Metallverarbeitung kennengelernt. Derzeit lernt er kochen und backen. „Apfelkuchen“, sagt er lächelnd. Was gefällt ihm in Deutschland besonders? „Alles.“ Was war schwierig? „Die Sprache.“
„Überwältigendes Engagement“
Ende Mai endet der Integrationskurs für Al Saleh. Dann möchte er in einer Küche arbeiten. Später vielleicht auch ein kleines Restaurant betreiben. Vorher wird er noch einmal Vater. Seine Frau ist schwanger, im Frühjahr bekommen sie ihr drittes Kind. Dem Helferkreis ist Al Saleh dankbar. „In Syrien habe ich eine Familie, aber hier habe ich eine Großfamilie“, sagt er in gut verständlichem Deutsch. Pfarrer Thomas Levin ist noch immer beeindruckt vom Engagement der Leute. „Ich fand es überwältigend, dass das mitgetragen wurde von Ehrenamtlichkeit.“
Er meint damit auch Udo Voß. Der 66-Jährige ist selbstständiger Unternehmensberater und hat auch eine Ausbildung zum Mediator. Als Pate hilft er jetzt einer Familie mit drei Kindern und weiteren Verwandten. „Die allermeisten sind jetzt dabei, sich zu integrieren -- mehr oder weniger schnell, mehr oder weniger gut.“
Illusionen dürfe man sich allerdings nicht machen: „Wenn Frieden kommt, werden einige wieder zurückkehren.“