Oberhausen. . Kritisch referierte Wolfgang Schulte-Krumpen die letzen Babcock-Jahre bis 2002. Dem Filz-Vorwurf widersprachen andere Ehemalige beim Erzählcafé.

Eigentlich sollte der Ingenieur Wolfgang Schulte-Krumpen im Erzählcafé in der Zinkfabrik Altenberg über die Arbeit der kerntechnischen Abteilung bei Babcock berichten – jedenfalls solange es sie gab. Aber der Referent beim ersten Babcock-Erzählcafé 2018 hielt sich am Sonntagnachmittag lange mit den Umständen der Pleite des Konzerns im Jahre 2002 auf. Und damit löste er eine Kon­troverse unter den Cafe´-Besuchern aus.

Nach scheinbar grenzenlosem Wachstum des Konzerns von anfangs 60 Mitarbeitern anno 1898 auf über 35 000 im Jahr 1991 geriet die frühere Dampfkessel-Schmiede ins Strudeln. Der auf über 300 Tochterfirmen angewachsene Mischkonzern, der weltweit agierte, war 2002 nicht mehr zu halten. Wolfgang Schulte-Krumpen hatte das Unternehmen im Jahr 2000 verlassen müssen. Und nicht nur er: „Es traf viele hochkompetente Leute, Facharbeiter, Ingenieure, Kaufleute. Sie konnten von heute auf morgen gehen, ohne zu erfahren, warum“, erinnerte er die rund 30 Gäste im Erzählcafé.

Und dann zitierte er zeitgenössische Berichte aus linksgerichteten wie wirtschaftsnahen Medien, die der Politik eine Mitschuld am Desaster gaben. Friedel Neuber (SPD), mächtiger Chef der Westdeutschen Landesbank, die ebenfalls Anteile an Babcock hielt und heute selbst Geschichte ist, unterhielt ein Netzwerk an politischen und wirtschaftlichen Kontakten. Seine Parteifreunde, die damaligen Regierungschefs Wolfgang Clement und Gerhard Schröder, erweckten den Eindruck, sie könnten den Konzern und damit die Arbeitsplätze retten. Aber der Eindruck trügte. Die engen Verflechtungen zwischen SPD, IG Metall, Konzernführung und Banken, so der Tenor dieser Kritik, hätten keineswegs zum Wohl des Unternehmens beigetragen.

Schwere Managementfehler

Als entscheidenden Knackpunkt machte der Referent aus, dass sich Babcock am Ende von seiner Beteiligung am profitablen Rüstungsunternehmen HDW in Kiel trennen musste. Aber nicht, um wieder zahlungsfähig zu werden. Vielmehr sei mit dem Verkaufserlös lediglich ein zuvor interner Kredit von HDW zurückgezahlt worden. Vorstandschef Klaus Lederer selbst sei dann bei HDW untergekommen. Der anhaltende Vertrauensverlust der SPD in Nordrhein-Westfalen habe damals seinen Anfang genommen.

„Das ist zu kurz gesprungen“, meldete sich ein Zuhörer. Natürlich habe es Filz und Seilschaften gegeben. Aber letztlich seien es schwere Managementfehler gewesen. „Man war im in­ternationalen Geschäft einfach schlecht aufgestellt.“

Ein früherer kaufmännischer Mitar­beiter berichtete, seitdem im Nahen Osten Anfang der 1980er Jahre 600 Millionen Mark in den Sand gesetzt wurden, sei Babcock klamm gewesen. Sogar zweckgebundene Gelder des Ar­beitsamtes habe man verwendet, um zahlungsfähig zu bleiben.

Bis heute nicht abgewickelt

Ein ehemaliger Betriebsratsvorsitzender ließ die einseitige Schelte gegen SPD und IG Metall nicht gelten. „Da gab es viele redliche Leute, die sich nach Kräften bemüht haben“, erklärte er. Er selbst habe kein Parteibuch besessen. „Da warst du aber einer der Wenigen“, hielt ihm ein Zuhörer entgegen.

Dann konzentrierte sich die Kritik darauf, dass der Konzern bis heute, 16 Jahre danach, nicht abgewickelt sei und ein Insolvenzverwalter daraus bis ins Jahr 2018 Einkünfte beziehe. „Wo kein Geld mehr zu holen ist, hält sich so jemand nicht lange auf“, hieß es. „Aber das liegt doch an unserem Insolvenzrecht und am starken Einfluss der Rechtsanwälte auf die Politik“, wurde darauf erwidert. „Er versucht eben noch, Geld hereinzuholen“, meinte eine Frau. Schließlich habe der Insolvenzverwalter den Karren ja nicht in den Dreck gefahren.

Der Groll ehemaliger Babcock-Mitarbeiter hat darin eine Ursache, dass sie gleich doppelt unter der Pleite zu leiden hatten. Einmal haben viele von ihnen beruflich nicht wieder Tritt fassen können. Und dann mussten sie auch als Folge der Hartz-IV-Reformen später noch schmerzliche Rentenabschläge hinnehmen, die nicht durch einen Sozialplan aufgefangen wurden.

>>> Akten sichten und Unterlagen sammeln

Eigentlich haben es sich die Veranstalter des Erzählcafés zum Ziel gesetzt, die facettenreiche Geschichte des Babcock-Konzerns aufzuarbeiten, indem große Mengen an Aktenmaterial, das erhalten geblieben ist, Schritt für Schritt gesichtet wird.

Der Kreis trifft sich an jedem zweiten Montag, am Ruhetag des Industriemuseums, an der Hansastraße 20. Der Kreis nimmt auch Unterlagen aus Nachlässen ehemaliger Babcock-Mitarbeiter an. Auskünfte gibt Hermann-Josef Schepers , 0208 - 89 71 23.