Als wolle man sich schon mit einer Wiederaufnahme für den Theaterpreis 2010 empfehlen: Vor der Verleihung des Preises '09 – die WAZ berichtete gestern kurz – kehrt die Opera „Woyzeck” von Tom Waits am Sonntagabend auf den Spielplan im Großen Haus zurück – das Ensemble spielte mit elementarer Wucht.
Nicht ein Hauch von Abnutzungserscheinungen bescherte einem zahlenmäßig leider nur kleinen Publikum einen großen Theaterabend. Der schließlich auch noch fünf glückliche neue Preisträger sah, Torsten Bauer war schlichtweg baff, zum zweiten mal Publikumsliebling. Wie er würdigte auch Herbert Fritsch, der Gewinner des ersten Preises, den Team-Charakter im Haus vom Intendanten bis zum Bühnenarbeiter. Die Preisverleihung an ihn hatte die Jury u.a. so begründet: „Das Theater des Herbert Fritsch ist voll von hysterischen Figuren, die dem Nervenzusammenbruch entgegenfiebern. Es beschert uns die Apokalypse im Sterbezimmer ebenso wie den Taumel im vermeintlich intakten bürgerlichen Haushalt. Ähnliches hat man im Theater Oberhausen noch nicht sehen können. Einen Tartuffe, der aussieht, als habe Tim Burton nach einem heftigen Alptraum Michael Jackson neu erschaffen. Und eine Groteske wie Joe Ortons „Beute”, die Fritsch in einem Turbogang inszeniert, als wolle er dem Slapstick neue Dimensionen eröffnen . . . Und nie vergisst er dabei den Zuschauer, der an all diesem doppelbödigen Tun seine helle Freude haben kann . . . Der geglückte Neustart des Oberhausener Theaters ist zu einem nicht geringen Teil seiner Kunst zu verdanken.”
Zu Angela Falkenhan, der Trägerin des zweiten Preises, heißt es in der Begründung u.a.: „Leidenschaftlich, tiefgründig, aufregend, intensiv: So hat sie zwei ihrer Hauptrollen in der vergangenen Spielzeit gegeben, die stille Leila in David Greigs ,Yellow Moon' und die stürmisch drängende Saskia in Kristo Sagors ,Trüffelschweine' . . . Sie füllt die Figuren so mit Leben, dass ihr zuzusehen ein ganz besonderes Theater ist.” Auch die junge, höchstbegabte Nachwuchsmimin war sichtlich überrascht, dankte mit Hinweis auf den besonderen Geist im Haus.
Die Arbeit von Björn Gabriel, Träger des dritten Preises, würdige die Jury u.a. wie folgt: „Björn Gabriel gelang am Theater Oberhausen gleich zu Beginn der Spielzeit 2008/09 ein furioser Einstieg als Tartuffe in der gleichnamigen Molière-Komödie. Er machte aus dem religiös getarnten Verführer und Betrüger mit gezierten Bewegungen und zittriger Stimme ein zeitlos androgynes Idol.”
Zur diesjährigen Nachwuchspreisträgerin Nora Buzalka meinte die Jury u.a. Folgendes: „In der Diskussion um viele potenzielle Preisträger fiel immer wieder der Name einer jungen Schauspielerin, die auffällig häufig auf der Bühne des Großen Hauses zu sehen war . . . Nora Buzalka war die um ein wenig Anerkennung flehende Spätpubertierende im zu Unrecht verkannten ,Altweibersommer', sie war die lüstern verführende Gespielin in „Sexus”, zeigte hinreißende komödiantische Talente in der „Klinik Oberhausen” und mehr noch in der feinen b.a.r.-Produktion „loveSocks” . . . Ihre Marie in der Waits-Opera ,Woyzeck' war einzigartig. Da spielte Nora Buzalka im Milieu so anrührend auf der Klaviatur eines naiv lebenden gequälten und schließlich in einem Akt der gewaltsamen Erlösung zerbrechenden Herzens, dass man unwillkürlich mitleidet mit dieser vom tristen Leben geschundenen Kreatur.” Sie freute sich zusätzlich noch über einen Edelbrand, von Erhard Büch selbst destilliert.
Erfreuliches gab es noch zum Nachwuchspreis zu vermelden. Er wird künftig Günther Büch-Nachwuchspreis heißen. Erhard Büch, der Cousin des legendären Chefdramaturgen und Regisseurs am Oberhausener Theater der Sechziger Jahre, wird den Preis auch in den kommenden Jahren sponsern. Im nächsten Jahr soll sein Sohn ihn aber übergeben, der voll hinter der Entscheidung seines Vaters stehe, einen solchen Preis an dem Theater zu vergeben, an dem Günther Büch dem neuen deutschen Schauspiel der Nachkriegszeit entscheidende Impulse gab, u.a. mit der Entdeckung Peter Handkes als Theaterautor. Er, so Erhard Büch, habe sich bei seinen bisherigen Besuchen im Oberhausener Theater und jetzt auch bei der „Woyzeck”-Wiederaufnahme sehr an die Besessenheit erinnert gefühlt, mit der sein Cousin seinerzeit hier Theater gestaltete.