Oberhausen. Kunstpause oder Gedächtnislücke? Aufmerksam verfolgen Gertrud Page und Brigitte Ahrens die Proben auf der Bühne des Atelier Theaters: Erstmalig arbeiten dort ehrenamtlicheSouffleusen und helfen den Darstellern bei Texthängern auf die Sprünge.
Ist das jetzt eine Kunstpause oder eine Gedächtnislücke? Aufmerksam verfolgen Gertrud Page und Brigitte Ahrens in der ersten Reihe die Proben auf der Bühne des Atelier Theaters an der Gutenbergstraße. Denn erstmalig arbeiten dort ehrenamtlicheSouffleusen und helfen den Darstellern bei einem Texthänger wieder auf die Sprünge. Vor allem für Theater-Leiterin Angelika Werner, die bislang selbst die Aufgabe übernahm, ist das eine große Entlastung.
Kurzes Vorstellungsgespräch
„Als ich in der Zeitung gelesen habe, dass dort Souffleusen gesucht werden, wollte ich mein Glück mal versuchen“, erzählt Page.Nach einem kurzen Vorstellungsgespräch war für die Theater-Leiterin klar: Das passt. Zudem bringt die 67-Jährigebereits Berufserfahrungen mit: „Vor zwei Jahren habe ich das schon mal gemacht, aber die Aufgabe habe ichwirklich unterschätzt.“ Nicht nur, dass die Arbeit als Souffleuse sehr zeitintensiv ist, denn sie ist nicht nur bei den Aufführungen dabei, sondern auch bei allen wöchentlichen Proben, die zirka drei Stunden dauern. Während der Vorstellung ist sie vor allem ein fester Anker für die Schauspieler, das Netz, das sie auffängt, bevor sie ins Fallen geraten – auch wenn das in den Vorstellungen nur recht selten vorkommt. Page sitzt dann da, mit ihrem Textbuch und einer kleinen Lampe in der Hand, verfolgt konzentriert das Geschehen auf der Bühne.
Während jeder Minute muss sie wach sein: Improvisiert der Schauspieler gerade nur ein wenig oder hat er den Faden verloren? In solchen Momenten steigt der Adrenalinspiegel: „Ich da darf nicht mit meinen Gedanken abschweifen, dass könnte gefährlich werden“, erzählt Page, die das Theaterstück „Die Villa – eine Räuberpistole“ begleitet. Denn dann sei es schwierig, wieder die richtige Textstelle zu finden. „Ich muss alles im Auge behalten. Das ist gar nicht so leicht und eine große Herausforderung“, so die 67-Jährige.Das bestätigt auch Brigitte Ahrens, die sich aus Neugierde bei der Theater-Leiterin meldete: „Es wird von einem zwar viel verlangt, man muss hochkonzentriert sein, aber die Stimmung im Team ist einfach klasse.“ Sie begleitet die Aufführung „Der Räuber Hotzenplotz“: „Es ist etwas ganz anderes, wenn man den Ablauf und die Vorbereitungen mitbegleitet – man bekommt einen Blick hinter die Kulissen.“
Auf die Sprünge helfen
Schauspieler, die ihren Text vorher komplett auswendig lernen, denen müssen die Souffleusen nur auf die Sprünge helfen, wenn es mal hakt. Andere wiederum lernen Texte nur an, um sich ihn bei den Proben vollständig anzueignen. Da sei ihre Arbeit stärker gefordert. „Zuerst müssen sie das Wort Text sagen, um zu überprüfen, ob es tatsächlich ein Aussetzer ist. Danach flüstern sie die ersten Worte des Satzes“, erklärt Werner. Sie ist mehr als erleichtert, dass sich kurzfristig zahlreiche Frauen gemeldet haben, um das kleine Theater am Altmarkt zu unterstützen. „Die Resonanz hat mich positiv überrascht, damit habe ich wirklich nicht gerechnet“, sagt die Theater-Leiterin. Denn vielen ist die Arbeit der Souffleuse gar nicht bekannt: „Zudem ist die Arbeit ehrenamtlich und findet erst in den Abendstunden statt.“ Daher ist ihre Freude über den neuen Zuwachs groß: „Das gibt mir viel mehr Freiraum – ich kann meinen Blick wieder auf die Bühne richten.“
Eine Muschel für Souffleure gibt es am Atelier Theater übrigens nicht: „Wir sitzen bei den Aufführungen in der ersten Reihe ganz rechts“, erzählt Page. Und ja, der Beruf sei immer wieder aufs Neue aufregend. Page: „Nach etwas Übung erkennt man schon an den Gesichtern, ob der Schauspieler nur eine Pause macht oder ihm die völlige Verzweiflung anzusehen ist.“