Herr Overkamp, Herr Klunk, Sie kämpfen beide als Geschäftsführer der Stoag für den Lückenschluss der Straßenbahn zwischen Essen-Frintrop und dem Centro. Warum soll sich Oberhausen das 80 Millionen Euro teure Projekt leisten?
Klunk:
Unser Ziel im öffentlichen Nahverkehr ist es seit langem, Nachbarstädte im Ruhrgebiet besser zu verbinden. Das ist eine große Schwachstelle der Region. Es ist doch ein Treppenwitz, dass eine Straßenbahn an der Stadtgrenze zu Oberhausen endet. Der Service für Nahverkehrskunden verbessert sich durch den Lückenschluss enorm. Oberhausen hat heute schon so viele Ein- und Auspendler, der Mobilitätsbedarf steigt künftig weiter. Der Lückenschluss wäre ein Meilenstein. Schon früher ist das Projekt bei öffentlichen Diskussionen von Bürgern als wichtig und notwendig eingefordert worden.
Overkamp: Die Strecke wird mit fast 85 Prozent maßgeblich von Bund und Land finanziert. Die neue Bahnstrecke ist ein zusätzliches Angebot, dessen volkswirtschaftlicher Nutzen nach unabhängigen standardisierten Gutachten doppelt so hoch ist wie der Nutzenfaktor, ab dem der Bund solche Strecken fördert. Man verbindet hier mehrere Stadtteile/-zentren, Gewerbe- und Wohngebiete und viele Attraktionen zweier Großstädte.
Klunk: Der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs unterstützt nicht nur die Klimaziele der Stadt, sondern ist auch sozial, weil besonders bedürftige Menschen auf einen guten Nahverkehr angewiesen sind. Der Lückenschluss wäre ein deutlicher Schritt in die Zukunft der Stadt.

Doch die Strecke ist mit 80 Millionen Euro extrem teuer, 16 Millionen Euro muss die Stoag aufbringen. Wie hoch fällt am Ende die jährliche Belastung für die Stadt Oberhausen und die Stoag tatsächlich aus – trotz Bundesförderung?
Overkamp: Man kalkuliert hier wie ein Häuslebauer – über 30 Jahre. Betrachtet man die positiven Faktoren, 8000 neue Fahrgäste und die zusätzlichen Einnahmen fürs gesamte Netz sowie die Aufwendungen für Betrieb, Instandhaltung, Abschreibung und den Kauf von Straßenbahnen etc., dann kommt auf die Städte Essen und Oberhausen bzw. auf die Verkehrsunternehmen eine Belastung von ca. 400 000 Euro im Jahr über 30 Jahre zu. Das ist gut verkraftbar, wenn man bedenkt, dass uns schon ein zweiprozentiger Lohnanstieg der Stoag-Beschäftigten oder ein zehnprozentiger Anstieg des Dieselpreises die gleiche Summe an Mehrkosten verursacht. Wir machen im Jahr einen Umsatz von 50 Millionen Euro – da relativieren sich 400 000 Euro. Das ist weniger als 1 Prozent. Darüber hinaus sind die positiven Faktoren wie Wegezeitverkürzung für die Bürger und die höhere Attraktivität des Geländes an der Strecke etwa für Unternehmen mit ihren vielen Beschäftigten zu beachten.

Trotzdem: Bei 400 000 Euro im Jahr müssen Sie das Netz doch an anderer Stelle kappen und den Service woanders reduzieren.
Overkamp:
Nein, das müssen wir nicht. Wir werden dafür nicht woanders Buslinien kappen oder Taktzeiten verändern, sondern im Gegenteil: Das Netz der Stoag profitiert und zieht mehr Fahrgäste an. Dadurch steigt doch die Attraktivität von ganz Oberhausen, speziell aber die des Stahlwerksgeländes, das durch die neue Strecke für die Ansiedlung von Firmen mit Beschäftigten attraktiver wird.
Klunk: Nur die Buslinie 185 von Essen zum Centro wird natürlich eingekürzt, aber nicht mehr.
Overkamp: Dafür erhalten die Oberhausener und Essener Fahrgäste einen Zehn-Minuten-Takt auf der Linie 105. Die Straßenbahn fährt abwechselnd mal zum Hauptbahnhof und mal nach Sterkrade. Dadurch erhalten wir mit der Linie 112 auf unserer Stoag-Trasse wieder einen Zehn-Minuten- Takt.