Oberhausen. . Aufgrund einer Gesundheitsreform müssen seit diesem Monat viele Kranke die Kosten für lebenswichtige Medikamente selbst tragen – für viele ist das ein Problem. Apotheker bekommen derweil den Frust vieler Patienten zu spüren.

Gesundheit ist nicht nur eine Frage bewusster Lebensführung, sondern immer mehr auch eine des Geldbeutels. Diesen Eindruck könnten vor allem Blutdruck-Patienten gewinnen, wenn sie in den vergangenen Wochen ihr gewohntes Medikament in der Apotheke erstehen wollten. Seit dem 1. Juli ist die Finanzreform der Krankenkassen in Kraft – und Verbraucher müssen für viele Präparate nun kräftig draufzahlen. Davon sind vor allem blutdrucksenkende Mittel aber auch bestimmte Psychopharmaka betroffen. Dies sorgt auch bei Oberhausener Apothekern für Unmut, die den Ärger der Kunden oft als erste zu spüren bekommen.

„Die Patienten beschweren sich massiv über die Preise“, berichtet Ulf Brenne, Sprecher der Oberhausener Apotheker. „Für bestimmte Blutdruck-Medikamente müssen Kunden jetzt zwischen 40 und 60 Euro mehr zahlen. Das können sich manche einfach nicht mehr leisten.“ Die einzige Alternative ist dann oft die Umstellung auf ein günstigeres Präparat eines anderen Herstellers, das den gleichen Wirkstoff enthält. Durch die Reform soll laut dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) der wirtschaftliche Wettbewerb unter den Pharma-Unternehmen angekurbelt werden. Doch auch hier sieht Brenne Nachteile: „Viele Patienten schätzen in der Therapie eine gewisse Kontinuität – es verunsichert sie, wenn sie ständig das Medikament aus finanziellen Gründen wechseln müssen.“

Frust an der Ladentheke

Ihren Frust darüber ließen die Kunden dann gerne bei Brenne und seinen Berufsgenossen an der Ladentheke ab: „Für uns ist es schwierig zu kommunizieren, warum die Patienten die Kosten für viele Medikamente nun selbst tragen müssen. Sie denken oft, das Geld aus den Mehrkosten würde in die Kassen der Apotheken fließen. Das ist natürlich falsch.“ Denn die Festpreise für Arzneimittel würden allein zwischen dem GKV und den beteiligten Pharma-Unternehmen ausgehandelt, wohingegen die Apotheken als Vertreiber in der Diskussion außen vor seien.

Budgets sollen entlastet werden

Die Krankenkassen schließen mit den Pharma-Unternehmen Rabattverträge, um das Krankenkassenbudget zu entlasten – die Hersteller profitieren hingegen von höheren Absätzen. Somit sind Apotheken verpflichtet, Präparate eines bestimmten Herstellers auszugeben, welche die Krankenkasse des Versicherten vorgibt.

Auch aus ärztlicher Sicht beobachtet Allgemeinmediziner Mahmoud Maysami die Entwicklung mit Skepsis, warnt aber vor verfrühtem Alarmismus: „Schon vor der Reform war die Verschreibungspraxis für uns als Ärzte ein ständiger Balanceakt zwischen Wirtschaftlichkeit und medizinischer Vernunft.“ Dies sei vor allem der Fall, wenn Rabattverträge zwischen Krankenkassen und Pharmaunternehmen plötzlich gekündigt würden und der Patient sich somit auf ein neues Medikament einstellen müsse.

Die Zahl der Arzneimittel, deren Kosten vollständig von den Krankenkassen übernommen werden, ist mit der Reform auf ein Rekordtief gesunken. Der GKV hat die Festbeträge für 13 Wirkstoffgruppen gesenkt. Weniger als zehn Prozent der Medikamente mit Festpreis sind für Patienten weiterhin vollkommen kostenfrei. Da die Pharmaindustrie trotz der Senkung der Festbeträge den Gesamtpreis für ihre Produkte nicht reduziert hat, müssen Patienten nun oft selbst in die Tasche greifen.

Finanzielle Belastung unterschätzt

Auch Angelika Peters, Pflegedienstleiterin bei der Diakonie Oberhausen, sieht die Reform mit Bedenken: „Wir sind in unseren Stationen täglich mit dem Thema Altersarmut konfrontiert und ich kenne viele ältere Patienten, die ihre medizinische Versorgung kaum noch bezahlen können. Und auch bei Familien mit Kindern schlagen teure Medikamente in der Haushaltskasse empfindlich zu Buche.“

Zwar habe sie bei der Diakonie vor allem mit chronisch Kranken zu tun, die aufgrund ihrer Diagnose von der Zuzahlungspflicht wichtiger Medikamente befreit seien, doch müsse man die Folgen der Reform ernstnehmen: „Leider spielen die Kassen die finanzielle Belastung für Patienten gern herunter.“