Jede Nacht pünktlich mit dem Einsetzen der Dämmerung verwandelt sich das Ruhrgebiet in eine Region des Lichts. Hell erleuchtete Straßen schlängeln sich durch die Städte, vorbei an Wohnhäusern, Bürogebäuden und Fabriken, deren Fassaden durch den Schein der Laternen in gelbes Licht gehüllt werden.
Ab und zu ziehen diese Straßen an Objekten vorbei, die aus der Umgebung herausstechen, Überbleibsel aus einer längst vergangenen Zeit oder moderne Kunstwerke, deren futuristisch-buntes Leuchten schon von weitem erkennbar ist und das die Blicke der Menschen magnetisch auf sich zieht.
In den Bann dieser bunt leuchtenden Installationen wurde 1996 auch der Oberhausener Dieter Golland gezogen: „Ich fuhr auf der A 42 Richtung Kamp-Lintfort, als ich auf einmal ein fantastisches Lichtobjekt vor mir sah, den Landschaftspark Duisburg-Nord. Überrascht von diesem Lichtkoloss bin ich die nächste Ausfahrt runter und zurück, um dieses fast außerirdisch anmutende Objekt noch einmal zu sehen. Begeistert von der Farbenpracht und der Idee, eine alte Industriebrache so darzustellen, kam ich nun häufiger vorbei.“
Durch den Wechsel zur Medientechnik seines heutigen Arbeitgebers keimte in Golland zunächst die Idee, die besondere Stimmung der Lichtobjekte der Region durch Videoaufnahmen einzufangen. „Die Videokameras waren aber nicht in der Lage, die Kontraste und Farbpracht der Motive zu bändigen, sie konnten die Lichtpracht der Motive nicht angemessen darstellen.“
So kam er auf die Idee statt der Videotechnik die Fotografie zu nutzen. Golland wollte die Motive auf den Fotos so abbilden, als würde der Betrachter selbst nachts vor einem der bunten Objekte stehen und es mit eigenen Augen sehen. Eine Lösung fand er in der HDR-Fotografie (High Dynamic Range-, Hochkontrast-Fotografie). Bei dieser Technik werden mit einer Fotokamera Bilder mit verschieden langen Belichtungszeiten aufgenommen, so dass manche dieser Bilder dunkler, andere heller sind. Anschließend werden sie mit einem Computerprogramm automatisch oder manuell übereinandergelegt.
Eine halbe Stunde vor Sonnenuntergang vor Ort
„Ein solches Foto Bedarf großer Präzision und viel Vorbereitung“, sagt Golland. „Tagsüber kundschafte ich die Umgebung aus, um einen Standort zu finden, von dem aus das Motiv die beste Wirkung ausstrahlt. Etwa eine halbe Stunde vor Sonnenuntergang muss ich vor Ort sein, damit ich die ‚blaue Stunde’ nicht verpasse.“
Mit der „blauen Stunde“ ist die Zeit gemeint, in der der wolkenlose Himmel eine tiefblaue Färbung hat. Es ist noch genügend Restlicht des Tages vorhanden, um einen strukturierten Bildhintergrund zu erhalten, gleichzeitig jedoch dunkel genug, damit das Objekt gut ausgeleuchtet im Mittelpunkt der Aufnahme steht. „Dann mache ich viele Fotos, die ich später manuell am Computer bearbeite. Das ist alles sehr viel Aufwand, für ein fertiges Bild brauche ich schon mal fünf bis sechs Stunden.“
Aktuell ist Golland entlang der Emscher unterwegs. Eines seiner nächsten Projekte ist die eigenständige Ausleuchtung der Totems auf der Halde Haniel mithilfe von Scheinwerfern und Generator, bei dem mit Sicherheit ebenso beeindruckende Nachtfotografien zu erwarten sind. Seine Traummotive sind übrigens geografisch ein Stück vom Ruhrgebiet entfernt: „Ich würde gerne nach Chile reisen und dort die Escondida, eine riesiges Kupferbergwerk und die Europäische Südsternwarte fotografieren. Natürlich pünktlich zur ‚blauen Stunde’.“