Oberhausen. . Anderthalb Wochen vor der Kommunalwahl am 25. Mai haben wir die aktuelle Lage der sieben antretenden Parteien in Oberhausen analysiert.

An den Kommunalwahlen kann man die politische Sonderstellung von Oberhausen im Ruhrgebiet gut erkennen: Hier gibt es keine Zersplitterung der politischen Landschaft in Klein- und Kleinstparteien wie in den Nachbarstädten, wo seit einigen Jahren zunehmend mehr Parteien antreten (Essen: 17, Mülheim 12).

In Oberhausen schaffen es die bekannten Parteien offenbar, die Interessen der Bevölkerung weitgehend zu bündeln – nur sieben Parteien treten hier zur Ratswahl an. Die Bürgerpartei BOB und die Violetten (nur in wenigen Bezirken) stellen sich erstmals zur Wahl.

Außerdem haben es die Sozialdemokraten seit 1964 geschafft, den größten Teil der Bevölkerung hinter sich zu vereinen – über Jahrzehnte zeigten sich die Oberhausener mit der Arbeit der SPD so zufrieden, dass sie diese mit Traumwerten von über 50 Prozent immer wieder wählten. Diese hohe Bindungskraft ist auch deshalb so bemerkenswert, weil bis 1961 die Konservativen (CDU plus Zentrum) addiert mehr Stimmen erhielten als die SPD.

Wie die SPD versucht, zu alter Stärke in ihrer Hochburg zurückzufinden 

Bei der letzten Kommunalwahl 2009 erzielte die Oberhausener SPD ihr bisher schlechtestes Ergebnis seit 1961 – die Sozialdemokraten vollzogen hier letztendlich die Entwicklung nach, die ihre Kollegen in vielen Ruhrgebietsstädten bereits zehn Jahre zuvor, bei der Kommunalwahl 1999, erleiden mussten. Seitdem muss sie mit den Grünen regieren.

Natürlich wünscht sich die Oberhausener SPD nichts sehnlicher, als dass sie die Scharte auswetzen und alte Zeiten mit sicherer absoluter Mehrheit zurückholen kann, doch die Realisten wissen: Nichts ist schwerer, vielleicht unmöglicher als das. Auch wenn Kleinparteien in Oberhausen keine Rolle spielen, graben die Parteien auf dem linken Flügel, Grüne und Linkspartei („Fleisch vom Fleische der SPD“ – Ex-DGB-Chef Guntram Schneider), der SPD Stimmen ab; hinzu kommen frustrierte Anhänger, die sich der neuen Bürgerpartei BOB zuwenden – oder gar nicht zur Wahl gehen.

Eine zu geringe Mobilisierung der Wähler ist die größte Gefahr für die SPD – das schlägt sich stets negativ auf ihre Anteile nieder. Die SPD hat traditionell bei der Europawahl Probleme, ihre Anhänger an die Wahlurnen zu bringen, die ja am 25. Mai mit den Kommunalwahlen stattfindet. Zieht also die Europawahl die Wahlbeteiligung bei der Kommunalwahl runter oder läuft’s umgekehrt?

Die SPD in Oberhausen jedenfalls inszeniert sich in diesem Wahlkampf mit viele Heimatliebelei – ähnlich wie bei der CSU in Bayern soll es heißen: SPD gleich Oberhausen gleich SPD. So findet man auf vielen Werbemitteln zwar den Spruch „Stolz auf Oberhausen“ mit bekannten Heimatmotiven der Stadt, aber kein Parteisymbol, sondern nur die Farbe Rot weist auf die SPD hin. Statt „Weiter so“ wie im Bundestagswahlkampf von Helmut Kohl 1987 heißt es hier „Weiter geht’s“.

Die SPD treibt die Sorge um, dass die Errungenschaften der vergangenen zehn Jahre für selbstverständlich gehalten und in Vergessenheit geraten sind. Deshalb zählen sie in ihrem Kommunalwahlprogramm auf, was alles erreicht worden ist: Von der Bilfinger-Zentrale über die Centro-Erweiterung und den Abenteuerpark bis hin zur geschwungenen Emscherbrücke.

Und im Endspurt beweist die SPD Handlungsfähigkeit: Sie stellt ein Projekt nach dem anderen vor, ob Bauen, Soziales oder Kultur.

Die SPD will weiterregieren – notfalls mit den Grünen und der FDP.

CDU sieht Wechselstimmung in der Stadt, hat aber noch keinen Partner 

Vor dieser Kommunalwahl spürt die CDU eine extreme Unzufriedenheit und Wechselstimmung bei den Oberhausener Bürgern, doch das kennen diese schon: 1999, 2004 und 2009 sollte die historische Ablösung der SPD von der seit Ende der 50er Jahre ausgeübten Regierungsmacht gelingen – doch das beste Ergebnis seit 1975 gelang den Christdemokraten im NRW-Jahr der SPD-Schlappe 1999: 38 Prozent. Selbst dies reichte nicht.

Unter CDU-Fraktionschef Daniel Schranz und CDU-Parteichef Wilhelm Hausmann fährt die CDU einen Konfrontationskurs: Ob falsch berechnete Müllgebühren, die Zunahme an Wohnungseinbrüchen, der Zustrom an Rockerbanden, Drecksecken in der Stadt oder fehlende neue Mittelstandsfirmen – die CDU versucht, die SPD zu stellen und ihr mangelhafte Regierungsarbeit nachzuweisen. Doch oft gelingt es der SPD, gute Ideen der CDU aufzunehmen und für sich zu verwerten. Und den lange Zeit erhobenen CDU-Vorwurf der Untätigkeit kontert die SPD mit der Präsentation zahlreicher Projekte.

Das größte Manko der lokalen CDU ist, dass sie bisher nie beweisen konnte (oder musste), ob sie das auch kann: eine Stadt wie Oberhausen zu führen. Damit man ihr nicht den Vorwurf machen kann, die Stadt schlecht zu reden, setzt sie bei ihrer Werbung auf positive Themen, wie etwa auf eine grüne Welle auf der Mülheimer Straße. Die spektakulärste Idee: die Bordelle der Flaßhofstraße aus der City zu verlagern. Das zweitgrößte Manko der CDU: Bisher fehlt der Partei ein echter Partner. Sie liebäugelt aber mit wechselwilligen, SPD-kritischen Grünen und der BOB.

Grünen-Profil wurde in der Stadtregierung unschärfer 

Die Grünen haben sich nach ihrem ersten Antritt 1979 in Oberhausen („Bunte Liste“) als drittstärkste Kraft etabliert. Mit der SPD regierten die Grünen recht geräuschlos ohne größere Unruhen – man löste mit den Sozialdemokraten vieles im kleinen Kreis. So rettete man das Alsbachtal vor der Bebauung, freute sich über das Biomasse-Heizkraftwerk, sorgte für Solardächer auf öffentlichen Gebäuden und für ein kleines Elektro-Autonetz. Das Problem der Grünen: Ihr Profil konnte naturgemäß im freundlichen Kurs mit der SPD nicht mehr so scharf bleiben wie noch in der Opposition bis 2009.

Im diesjährigen Wahlkampf setzen die Grünen wieder auf ihre originären Themen: für eine bessere Umwelt, für mehr Gesundheit bei Schulkindern. So soll Oberhausen eine Modellstadt für die dezentrale Energieerzeugung und Wärmespeicherung werden. Dass einige Grüne mit Pförtnerampeln und einer Straßenverengung auf der wichtigsten Verbindungsstraße in Oberhausen, der Mülheimer Straße, die Autos verdrängen wollen, um die Feinstaubbelastung zu verringern, stieß bei vielen Bürgern in der Stadt auf Unverständnis – mobilisiert wohl aber die Stammwähler.

Das Super-Ergebnis von 2009 (10,4 Prozent) gilt bei den Grünen heute als unerreichbar – man wäre jetzt mit sechs bis sieben Prozent schon recht froh.

Linke seit 1999 viertstärkste Partei in der Stadt 

Seit ihrem Antritt 1999 in Oberhausen noch als PDS lag die Linkspartei stets vor den Oberhausener Liberalen. Doch die viertstärkste Partei macht aus ihrem Stimmenanteil von bis zu 8,5 Prozent nicht viel: Sie ist stolz darauf, auf keinen Fall mitregieren oder in der Stadt gestalten zu wollen.

Man hat halt das große Ganze im Blick: Weil man vor allem die Städte in Deutschland mit sozialen Problemen für unterfinanziert hält, machen sich die Linken grundsätzlich keine Gedanken über Einsparpotenziale in Oberhausen, sondern fordern mehr Geld vom Bund. Das Geld soll durch höhere Steuern auf Erbschaften, Vermögen und Großeinkommen aufgebracht werden. Konsequent lehnte man deshalb jede einzelne Sparidee von Rot-Grün im großen Sparpaket bis 2021 ab.

Dafür lassen die Linken weltweite Probleme im Rat diskutieren: Kinderarbeit in Indien (Grabsteine) oder den internationale Freihandel (Abkommen mit den USA).

Außerhalb der Gremien kümmern sich die Linken allerdings um Protestinitiativen vor Ort: Gegen den Abriss des Jugendzentrums, gegen die Bebauung des Rückgeländes oder damals auch für den Erhalt des Freibades Alsbachtal. Für die Präsenz der Linken in der Öffentlichkeit war es sicherlich ein Fehler, den profiliertesten Linken-Politiker Dirk Paasch als Fraktionschef mitten in der Amtsperiode abzusägen.

FDP fährt einen freundlichen sozialliberalen Kurs 

Der langjährige FDP-Ratsfraktionschef Hans-Otto Runkler hat die neoliberale Periode der Bundes- und Landes-Liberalen erfolgreich ausgesessen und einen freundlichen sozialliberalen Kurs gefahren. Im Rat springt die FDP der regierenden SPD recht häufig zur Seite (Kauf der Schrottimmobilien), kann aber auch recht spitzzüngig gegen einen allzu heftigen Griff der Stadt in die Taschen ihrer Bürger argumentieren (Für die Ausschüttung zu viel berechneter Müllgebühren an alle Bürger, gegen Grundsteuererhöhungen).

Im bundesweiten Höhenflug der FDP errangen die Oberhausener Liberalen 2009 mit 7 Prozent und vier Sitzen sogar Fraktionsstatus. Diesmal werden ihr höchstens zwei Sitze im Rat zugetraut.

Das Bürgerbündnis BOB tritt erstmals an 

Am schwersten einzuschätzen sind die Erfolgsaussichten der neu gegründeten, teils aus dem Verein „Wir sind Oberhausen“ (WSO) hervorgegangenen Partei „Bündnis Oberhausener Bürger“ (BOB). Kein politischer Beobachter bezweifelt, dass die BOB mindestens 1000 Stimmen und damit ein Ratsmandat holt (schließlich gibt es keine Stimmenhürde). Doch landen die BOB bei 1 bis 2 Prozent? Bei 3 bis 4 Prozent? Oder gar bei 8 Prozent wie BOB-Optimisten glauben?

Während in vielen anderen Ruhrgebietskommunen solche Bürgerparteien existieren, oft gespeist aus abtrünnigen enttäuschten Sozialdemokraten wie beim Essener Bürgerbündnis (EBB), blieben solche Initiativen in Oberhausen lange Zeit aus.

Erfahrungen in anderen Städten zeigen, dass solche Bürgerbündnisse auf Anhieb recht gute Ergebnisse erzielen können – allein deshalb, weil mehr und mehr Wähler etablierte Parteien ablehnen. Sie zogen einst von den Grünen, zu den Linken, zu den Piraten – und nun wohl zur BOB. Insofern kommt es dem BOB-Vorsitzenden Karl-Heinz Mellis gelegen, dass weder Piraten noch die Euro-Kritiker AfD hier antreten.

Die BOB setzt in ihrem Wahlkampf vor allem auf krawallige Äußerungen gegen die Regierungsparteien – die üblichen „Filz“-Vorwürfe könnten aber auch ruhigere Wähler abschrecken. Denn allzu viele Zukunftslösungen hat die BOB als junge Partei bisher nicht aufgeboten.

Piraten wollen weiter Politik machen 

Dumm gelaufen oder dumm gemacht? Weil sie unter anderem Fristen nicht einhielten, wurden die Piraten aus formalen Gründen für die Kommunalwahl nicht zugelassen. Während der Oberhausener Pirat im Landtag Daniel Düngel in seinem Blog ankündigte, nach einem „funktionierenden Kreisverband“ Ausschau zu halten, wollen die verbleibenden Oberhausener Freibeuter für die nächsten sechs Jahre nicht kommunal untertauchen: „Wir wollen für unsere Werte und die Interessen der Bürger eintreten und zur politischen Meinungsbildung beitragen“, meint Andreas Ronig.

DIe Violetten wollen Harmonie verbreiten 

Zu wenig miteinander arbeiten die Oberhausener Fraktionen, finden die Vertreter des neuen Kreisverbandes „Die Violetten“. Die Kleinpartei tritt am 25. Mai erstmals bei den Kommunalwahlen mit einem Kurzkonzept für Sachentscheidung statt Fraktionszwang, für mehr Bürgerbeteiligung, mehr ÖPNV und mehr Jugendarbeit an. Die Violetten kandidieren in sechs Wahlkreisen für den Rat und mit einer Reserveliste für die Bezirksvertretung Alt-Oberhausen. Politisch in Erscheinung getreten sind die Politikneulinge bisher nicht. Das minimiert ihre Erfolgschancen am 25. Mai.