Oberhausen. . An der Ruhrschule in Alstaden gibt’s Schnupperkurse für gleich drei neue Fremdsprachen. Mütter geben auch erste Stunden Französisch und Spanisch, in ihre jeweiligen Muttersprache. Englisch haben die Zehnjährigen ja schon von der ersten Klasse an gelernt.
Erwachsene sind ja schnell mit ihrem Latein am Ende. Aurelius und Quintus, Laetitia und Caecilia fangen gerade erst damit an – und sind stolz wie Oscar auf ihre neuen Vornamen. „Salvete Discipuli!“ ruft Jutta Jost-Wilming munter in den Klassenraum der Ruhrschule. „Salve Magistra!“ schallt es entschlossen zurück. Eigentlich seltsam, dass nur die Latein-Lehrerin der Viertklässler sich keinen Vornamen à la Iulia oder Livia zulegte.
Aber die Altphilologie für Grundschüler ist ja nur ein fünfstündiger Schnupperkurs – und die Magistra eigentlich Dipl.-Ing. der Bekleidungstechnik. Doch auf ihrer findigen Suche nach Projektleiterinnen erinnerte sich Sabine Schumann, die Rektorin der Grundschule in Alstaden, an ihr eigenes Abitur vor 30 Jahren – und an ihre einstige Mitschülerin im Leistungskurs Latein: „Wir hatten damals einen tollen Lehrer – und waren auch nur elf Schüler.“ Natürlich musste auch die Kurzzeit-Lehrerin Jost-Wilming zunächst selbst wieder lernen: „Es gab ja lange Jahre kein Latein in meinem Leben.“
Neue Zahlen von I bis XII
Dafür wirkt die vermeintlich „tote“ Sprache im enthusiastischen Nachmittagskurs wieder quicklebendig. Mit lustigen Begleiterscheinungen: Seitdem schon Erstklässler (seit 2009) Englisch lernen, meinen die Kinder, auch diese neue Fremdsprache „anders“ aussprechen zu müssen. Dass man lateinische Worte einfach vom Blatt lesen kann, war eine Verblüffung. Dafür lernten die Ruhrschüler ja neue Zahlen von I bis XII, mindestens. Und – als Extra der letzten Stunde – erfuhren die Elf von vielen neuen Göttern: für Blitz und Donner, fürs Haus und für die Reise.
Nach den Osterferien geht’s gleich weiter mit dem Sprachen-Entdecken im Ganztagsbetrieb der dreizügigen Grundschule für 240 Kinder: 32 Schüler wollen in den Französisch-Kurs mit Sophie Morgenbrod – mehr als genug für zwei Kurse. Die vielsprachige Kanadierin gibt als „Miss Sophie“ bereits den Jüngsten in mehreren Kindergärten spielerische Englisch-Lektionen. Und in den letzten fünf Wochen vor den großen Ferien unterrichtet Carmen Garcia-Mihm Spanisch und erzählt von ihrem Heimatland – auch sie eine Mutter der Ruhrschule.
Alle Drei seien keine Lehrerinnen, sagt Sabine Schumann, „aber sie haben Konzepte entworfen und mit uns didaktisch aufbereitet“. Warum eigentlich die Vielsprachigkeit in den vierten Klassen – denn auch im nächsten Schuljahr soll es, möglichst noch früher, mit den freiwilligen Schnupperkursen weitergehen? Die Hälfte der Ruhrschüler wechselt zu Gymnasien oder zur Gesamtschule, weiß die Rektorin. Und die höheren Schulen erwarten von den Neuzugängen und ihren Eltern, sich immer früher festzulegen: Französisch oder Latein? Bläser- oder Streicherklasse? „Wir wollen ihnen die Wahl erleichtern“, sagt Sabine Schumann.
Mit Cicero und Caesar wurden Tullia und Arminius – stolze Inhaber schön geschriebener Namensschilder – zwar nicht traktiert. Aber trotz munterem Römerquiz’ zum Schluss jeder Stunde: Die Magistra der XI hat schon deutlich gemacht, dass Latein ein Lernfach ist. „Ohne Wortstämme und Deklinationen geht es nicht“, sagt Jutta Jost-Wilming. Aber die spannenden Geschichten von Legionären und Gladiatoren würzen den Lernstoff.
Bleibt die Frage, wie lange nach dem Kurs sich Tullius und Quintus noch mit „Salve“ begrüßen – ganz wie römische Schüler seit 2767 Jahren. Zur letzten Stunde hatte die Magistra nämlich Gebäck mitgebracht: in Zuckerguss auf jedem Happen die legendäre Ziffernfolge 753 („Rom schlüpft aus dem Ei“).