Oberhausen. Tim Bendzko hat bei seinem Konzert vor 6500 Fans in der Arena in Oberhausen mit einem Lied von Herbert Grönemeyer eine Liebeserklärung an das Revier abgegeben. Fans jubelten. Puristen fragten sich: „Was soll das?“ Die gigantische Halle stellte am Donnerstagabend die Intimität der Songs des Echo-Preisträgers auf die Probe.

Tim Bendzko sieht auch nach 130 anstrengenden Konzertminuten noch immer aus wie der nette Junge von nebenan. Kein rotziges Abwinken. Nichts von bockigem Null-Bock. Und selbst das finale „Ihr wart wunderbar“, das gerne ein seichtes Ausklingen des Konzertabends einläutet, wird durch immer neue Zugaben weit nach hinten verlegt.

Wahrscheinlich hätte man den frisch gebackenen Echo-Preisträger am Donnerstagabend in der König-Pilsener-Arena in Oberhausen nur mit einem „Guten Tag, Herr Schweighöfer!“ gehörig auf die Palme bringen können. Doch unangenehme Ähnlichkeiten mit dem deutschen Schauspiel-Shootingstar sind nicht Gegenstand des nach einer Mandelentzündung im Februar nun nachgeholten Konzertes. Vielmehr lautet die entscheidende Frage, ob die Intimität der Lieder des 29-Jährigen in der mit 6500 Fans zu zwei Dritteln gefüllten Arena nicht verloren gehen könnte.

Die Welt ist nicht genug – Bendzko will Oberhausen retten

Und tatsächlich muss der Berliner zunächst mächtig schuften. Das Konzert braucht Momente, um warmzulaufen. Doch Bendzko weiß, womit er die 6500 aus der Reserve locken kann. Seine Mission ist ambitioniert. Die Welt ist nicht genug. „Heute Abend möchte ich ganz Oberhausen retten“, sagt er mit Anspielung auf seine mit dreifach Gold geadelte Single. Fortan steigen die überwiegend weiblichen Fans auf die Sitzschalen. Auf „Nur mal kurz die Welt retten“ haben alle gewartet.

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Überwiegend weiblich ist hier übrigens kein Rollenklischee. „Eigentlich ist es wie immer“, stellt auch Bendzko fest, nachdem das bekannte „Und jetzt die Frauen, und jetzt die Männer...“ ein überaus einseitiges Vergnügen ist.

Tim Bendzkos Herz schlägt für die TSG Hoffenheim

Darum hält sich der Mann in Turnschuhen auch überaus knapp, was die zuletzt abgelaufenen Fußball-Feste in der Champions League angeht: Er verschweigt, dass er noch einen Tag zuvor in der Allianz-Arena dem FC Bayern München gegen Manchester United die Daumen drückte. Und auch, dass sein Herz, wie er kürzlich in einem Zeitungsinterview preisgab, ausgerechnet für die TSG Hoffenheim schlägt, bleibt unerwähnt.

Irgendwann ist schließlich gut mit Fußball. Stattdessen betont der Berliner die Mannschaftsleistung auf der Bühne. Bendzko lässt seine Band häufig solo ran. Schlagzeug, Keyboard, Gitarre, wenn die Vocalisten singen, tritt er respektvoll zur Seite. Das alles wirkt nicht zu eingeschnürt, zu knapp, zu komprimiert – ein Musiker spielt gar auf der Quetschkommode.

Bendzko auf den Spiderman-Soundtrack – nur in Deutschland

Die Hits „Unter die Haut“ und „Programmiert“ fesseln in der zweiten Konzerthälfte. Es geht um Liebe und Lebensgefühle. Um Herz, um Schmerz und letztlich auch Mut und Trost. „Ohne zurück zu sehen“ sorgt im Publikum für funkelnde Augen. Erst recht, seitdem bekannt ist, dass der Song auf dem Soundtrack zum Spinnen-Spektakel „The Amazing Spider-Man 2: Rise of Electro“ landen wird. Bendzko als musikalischer Hollywood-Held? Nun, zumindest hierzulande. Die Nummer bleibt fernab der Traumfabrik nur dem deutschsprachigen Markt vorbehalten.

Doch Bodenhaft passt sowieso viel besser an den Ort des Konzert-Geschehens: Tim Bendzko in Oberhausen, das sind 130 Minuten, die nach eher überzuckerten Traumwolken zum Happy End in kurzweiligem Deutsch-Pop münden. Witzig wie ungewöhnlich wirkt ein adaptierter Song von Altmeister Herbert Grönemeyer, was man im Ruhrgebiet ausgesprochen gerne als Hommage an die Region verstehen darf. Bendzko sollte dabei die Frage „Was soll das?“ der Puristen aushalten können.