Oberhausen. . Kein Pool für Politikverdrossene: Die Piraten wollen mit Sachpolitik punkten. Doch das Ankern in der Stadt fällt schwer. Ursachen sind interne Querelen und die Konkurrenz des BOB.

Bürgerbeteiligung, Transparenz – beinah wöchentlich scheinen Parteien zum Runden Tisch zu bitten. Doch wer hat’s erfunden? Die hiesigen Piraten beanspruchen dafür die Urheberrechte, und hoffen zur Kommunalwahl als Bürgersprachrohr zu punkten.

Von den Piraten hört man derzeit wenig in der Stadt. Gibt’s sie noch?

Andreas Ronig: Wir waren lange Zeit Projektionsfläche für Politikverdrossene aller Art. Inzwischen sind wir von einigen Vertretern von Einzel- und Eigeninteressen verlassen worden, die erst lernen mussten, dass die programmatische Offenheit der Piraten nicht mit Beliebigkeit gleichzusetzen ist. Die verbliebenen Piraten sind aber engagiert und hoch motiviert.
Daniel Düngel: Auch Familie und Beruf haben bei unseren durchweg ehrenamtlichen Unterstützern nach den intensiven Wahlkämpfen wieder ihr Recht eingefordert. Eine Öffentlichkeitsarbeit, wie sie etablierte Parteien mit bezahlten Mitarbeitern betreiben, können wir so nicht leisten.

Die Wahlkreise haben Sie mit Ach und Krach besetzen können. Sechs Mal liest man den Namen Ronig.

Ronig: 29 Wahlbezirke besetzen zu müssen, um bei der Kommunalwahl eine Chance zu haben, ist eine echte Benachteiligung kleiner Parteien. Für manchen Wahlkreis hat sich meine Verwandtschaft aufstellen lassen. Das finden wir legitim, denn sonst hätten die Bürger dort keine Chance gehabt, uns wählen zu können.

Das Bündnis Oberhausener Bürger gibt’s zwar noch nicht so lang, hat den Piraten aber die Kernthemen Transparenz und Bürgerbeteiligung offenbar erfolgreich abgefischt. Macht das neidisch?

Düngel: Klar. Aber auch wenn es uns Stimmen kosten könnte: Unterm Strich finde ich es erst einmal gut, wenn Bürgerinteressen vertreten werden.
Ronig: Es brauchte die Piraten, damit man sich in der Stadt endlich über echte Bürgerbeteiligung unterhält. Andererseits muss man fragen: Stehen wirklich Bürgerinteressen hinter BOB oder wollen dort bestimmte Leute politische Karriere machen?

Da im Moment jede Partei irgendwie Bürger beteiligen will – wozu braucht man dann noch Piraten?

Ronig: Wir werden ein Auge darauf haben, ob das auch wirklich passiert, oder nur Versprechungen sind. Wir wollen wichtige Veränderungen in der Oberhausener Politik wie Transparenz und Beteiligung umsetzen -- klassische Piratenarbeit eben.
Düngel: Wir werden schneller Themen aus den Gremien öffentlich machen, etwa durch Live-Streamings. Wir werden darauf pochen, dass Protokolle aus den Gremien nicht erst in drei Monaten erscheinen, sondern schneller zugänglich sind. Dafür brauchen wir ein besseres Bürgerinfo-System als das derzeitige umständliche ‚Allris’. Das alles sind im Augenblick Barrieren für echte Bürgerbeteiligung.

Programmatisch klingt das dürftig.

Düngel: Wir haben bisher bewusst kein Programm mit unzähligen kleinen Punkten verfasst, sondern stattdessen in 4200 Zeichen die Grundideen für unsere Politik formuliert. Wir wollen über open­antrag.de Bürgeranträge in den Rat und in die Gremien bringen. Wir fordern offene Funknetze für den kostenfreien Internetzugang. Wir sind aber auch für mehr Geld für Jugendpolitik und den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, so zum Beispiel bei der Straßenbahnlinie 105.

Mehr Geld für Jugendarbeit und öffentlichen Nahverkehr – das wollen doch alle Parteien. Wo zeigen Sie da Profil?

Düngel: Ja. Wir haben auch nicht für alles eine Lösung, und werden zu solchen Fragen ein Bürger-Feedback einrichten, um die Oberhausener zu fragen, was sie wollen.
Ronig: Unsere Aufgabe als Piraten im Rat sehen wir auch darin, den politischen Diskurs durch andere Perspektiven und die richtigen Fragen zu bereichern. Parteien die vorgeben, auf alles die einzig richtige Antwort zu haben, gibt es schon genug.

Bürger fragen ist ja schön und gut, aber wo stehen dann die Piraten überhaupt: rechts, links, in der Opposition oder als möglicher Koalitionspartner der SPD?

Ronig: Wir stehen für Sachpolitik. Wir werden weder die Steigbügelhalter für andere sein, noch stellen wir uns um jeden Preis quer. In der SPD sitzen ja auch kompetente Leute, die Expertenwissen haben.
Düngel: Wir sind eher links, aber wir brauchen diese Positionen nicht. Der Wähler muss sich bei uns eher fragen: ‚Passt diese Partei zu mir?’ Wer sich nicht einsortieren lassen will, ist bei uns richtig.

Lohnt Kommunalpolitik überhaupt? Die Oberhausener Linken sehen für unsere Stadt kaum politische Gestaltungsräume: Finanzmittel fehlen, die Spardebatte macht alles zunichte.

Düngel: Wenn ich davon ausginge, wäre ich bei den Piraten nicht richtig. Es gibt immer wieder Spielräume und Entscheidungen, zu denen man Position beziehen muss, siehe Kauf der Markthalle, Gartendom und so weiter.
Ronig: Wer lokal keine Gestaltungsmöglichkeiten sieht, sollte nicht in die Politik gehen. So einfach ist das.