Oberhausen. . Seit 104 Jahren gibt es die Weinhandlung Friedrich Frese in Oberhausen. Die lange Tradition hat nun ein Ende, Inhaberin Ruth Nuyken schließt das Geschäft Ende April. Die 93-Jährige hat keinen Nachfolger oder Käufer gefunden. Die treue Kundschaft ist genauso traurig wie die Geschäftsfrau.

Ein paar hundert Leute in Oberhausen und Umgebung haben in diesen Tagen traurige Post bekommen: Sie alle sind treue Kunden der Wein- und Spirituosenhandlung Friedrich Frese. Das 104 Jahre bestehende Oberhausener Traditionsunternehmen an der Helmholtzstraße 2 schließt Ende April seine Pforten.

Inhaberin Ruth Nuyken, 93 Jahre alt, will nun endlich ihr Berufsleben, dass sie 1938 in der Firma ihres Onkels Friedrich Frese begann, beenden. „76 Jahre sind genug“ hat sie ihren Brief an die Kunden überschrieben – 76 Jahre, in die passen bei anderen Menschen drei Berufsleben hinein. Ruth Nuyken hat keinen Käufer für die gut gehende Weinhandlung gefunden und einen familiären Nachfolger gibt es nicht.

Ihre jüngste Tochter Christine, die den Betrieb eigentlich übernommen hatte, verstarb vor vier Jahren im Alter von 50 Jahren ganz plötzlich. Sie führte das Familiengeschäft in dritter Generation. Aber dann nahm Ruth Nuyken wieder ihren Platz ein, mit über 90 Jahren war sie noch jeden Tag von 9 bis 18 Uhr im Laden. Die Arbeit, die habe sie immer als selbstverständlich empfunden.

In der Kehre am Bahndamm

„Ich habe lange nicht mehr so viel geheult, wie in den vergangenen zwei Wochen“, sagt Ruth Nuyken über ihre Schließungsabsichten. Wegen ihrer fünf Mitarbeiterinnen, die nun ihren Arbeitsplatz verlieren. Aber auch wegen ihrer Kunden. Die kommen in den Laden, der direkt in der Kehre am Bahndamm an der Helmholtzstraße liegt, „und erzählen von früher“, sagt Ruth Nuyken. Sie bedanken sich, schicken Bilder von ihrer Familie oder Gedichte.

Die Weinhandlung ist halt etwas Besonderes: Seit Ende des zweiten Weltkrieges ist sie ansässig in einer Lagerhalle, die früher die Garage des Hotels Thüringer Hof war, das Familie Frese führte, bis eine Bombe die Unterkunft zerstörte. Verschachtelt, voller Regale mit Flaschen, Winkeln, Ecken und einer speziellen Spirituosen-Abteilung mit den feinsten Obst-Bränden. Man sieht: Hier wurde Stück für Stück erweitert, immer mal wieder eine neue Wand gezogen und vergrößert. Der Laden ist aber nicht nur wegen seines Aussehens besonders, sondern auch weil „wir hier so ein familiäres Verhältnis haben, hier stimmt alles, das haben die Kunden einfach gespürt und sich hier auch getroffen“, sagt die 93-jährige erfolgreiche Geschäftsfrau.

Jeden Abend ein halbes Glas Wein

Apropos Erfolg: Es war nämlich gar nicht so einfach, die Ruhrgebietskehlen, durch die traditionell vor allem Bier floss, nach dem Krieg vom Weingenuss zu überzeugen. „Wenn die Leute mal Wein tranken, dann musste er vor allem süß sein“, erinnert sich Ruth Nuyken. Aber steter guter Tropfen, gute Beratungs- und Überzeugungsarbeit der Fachleute von Frese und eine Änderung der Trink-Gewohnheiten taten ihr Übriges.

Ruth Nuyken, geb. Frese, ohne ihr Geschäft, geht das? Ein bisschen unsicher schaut sie dabei, gibt sich dann aber einen Ruck und kündigt an, jetzt lesen und stricken zu wollen, sich mit ihren Freunden zu treffen oder zu ihrer Tochter zu fahren. Sie kocht sich immer noch selbst jeden Abend etwas, die jung Gebliebene 93-Jährige, die den Kontakt mit den jüngeren Leuten vermissen wird, sagt sie.

Und ein halbes Glas Weißwein trinkt Ruth Nuyken noch jeden Abend. Mehr nicht, weil sie starke Medikamente gegen ihre Schmerzen in den Beinen nimmt. Trotz allem: der berufliche Schlussstrich, der fällt ihr nicht leicht.