Seit vier Jahrzehnten schon hilft ein Oberhausener Verein Kindern, Jugendlichen und Familien in Brasilien. Doch ohne Spenden geht nichts – und die Menschen werden immer zurückhaltender.

Am Anfang waren die Straßenkinder. Spiritanerpater Hermann Josef Wüste hatte ihr Leid in Brasilien gesehen und gründete 1967 zusammen mit einer Gruppe engagierter Christen den Hilfsverein „Kinderdorf Rio” in Oberhausen. Im Jahr darauf folgte der brasilianische Partnerverein – die Arbeit konnte beginnen. Heute umfasst das Sozialwerk vier Kinderdörfer mit Tagesstätte, Schule und Werkstatt, betreute Wohngruppen für Jugendliche und die Begleitung von bedürftigen Familien. Etwa 150 Kindern zwischen null und 18 Jahren wird so geholfen.

Martin Krumscheid
Foto: WAZ, Tom Thöne
Martin Krumscheid Foto: WAZ, Tom Thöne © WAZ

„Unser Verein folgt dem Vorbild der SOS-Kinderdörfer”, sagt Martin Krumscheid vom „Kinderdorf Rio”, „mit dem Unterschied, dass wir immer mit Familien zusammengearbeitet haben”. Und das meint Krumscheid im doppelten Sinne: Zum einen sind es Familien mit eigenen Kindern, die in den Kinderdörfern leben und zusätzlich bedürftige Kinder aufnehmen. Zum anderen ist die Arbeit der Mitarbeiter so aufgebaut, dass eine Reintegration der Kinder und Jugendlichen in ihre Herkunftsfamilien angestrebt wird. Sind die Eltern arm, krank oder drogenabhängig, wird in jedem einzelnen Fall geprüft: Sollen wir das Kind in einem der Dörfer unterbringen – oder die Familie als Ganzes unterstützen?

40 Jahre Hilfe in Brasilien bedeutet auch 40 Jahre Hilfe in Deutschland, nicht nur in Form von ehrenamtlicher Mitarbeit, sondern vor allem in Form von Spenden. Und genau da hakt es im Moment. „In diesem Jahr haben wir erstmalig einen Spendenrückgang”, sagt Krumscheid. Um 25 Prozent seien die Einnahmen im ersten Halbjahr 2008 zurückgegangen. Krumscheid glaubt, dass sich nicht nur die wirtschaftliche Situation der Menschen bemerkbar macht, sondern dass der Spendenskandal bei Unicef Spuren hinterlassen hat. Krumscheid: „Die Leute differenzieren nicht.”

Doch so leicht geben die Kinderdorf-Mitarbeiter nicht auf, was sie in 40-jähriger Arbeit aufgebaut haben. Bleiben die Spenden aus, werden eben andere Kanäle gesucht, um die Arbeit in Brasilien zu gewährleisten. „Wir versuchen, mehr Fördermittel zu beantragen”, sagt Krumscheid, „und neue Zielgruppen zu erschließen”. Hierbei spiele „Bewusstseinsarbeit” eine wichtige Rolle: Kinderdorf-Mitarbeiter gehen in Kindergärten und Schulen. Um junge Menschen für Probleme der Welt zu sensibilisieren, aber auch, um die Spender von Morgen für ihre Arbeit zu gewinnen. Denn ohne „Kinderdorf Rio”, so Krumscheid, „bleiben die Kinder in Brasilien in ihrem Teufelskreis aus Armut und Analphabetismus”.

Eine große Feier ist zum Jubiläum nicht geplant, nicht nur, weil dies finanziell nicht drin ist. Für Krumscheid: „Es ist nicht angebracht zu feiern, dass das Kinderdorf Rio notwendig ist. Dass sich die Ursachen für die Situation der Kinder nicht verändert haben.” Der einzige Grund zur Freude sei die kontinuierliche Hilfe des „Kinderdorf Rio”.

http://www.kinderdorf-rio.de/