Oberhausen. . Bei Uhren Schmiemann in Oberhausen gibt es eine der ganz wenigen Uhrmacherwerkstätten weit und breit. Und an diesem Ort ist die Zeit auf jeden Fall absolut.

Zeit heilt Wunden, heißt es so lapidar. Dass das nur sehr bedingt zutrifft, mag so mancher schon erfahren haben. Aber in Oberhausen gibt es einen Raum, in dem die Zeit selbst geheilt wird. Nicht jene relative von Masse und Geschwindigkeit abhängige Zeit Albert Einsteins, sondern die absolute der Uhrmacher. Uhren Schmiemann an der Elsässer Straße verkauft nicht nur besondere Uhren, zu dem Geschäft gehört auch eine der ganz wenigen Uhrmacherwerkstätten weit und breit.

Das Herz des Geschäftes

„Die Werkstatt ist das Herz des Geschäfts“, sagt Roland Wiese, der sich für seinen Freund Axel Schmiemann um die Öffentlichkeitsarbeit kümmert. Dieses Herz schlägt - besser tickt - vielfach. Wiese nimmt seine eigene, natürlich mechanische Uhr ab. Und voller Bewunderung für die simple wie geniale Technik sagt er: „Wenn man mal vergisst, dass die Uhr ein Zeitmesser ist, dann ist da eine Maschine, die ihre Antriebsenergie durch die Bewegung des Trägers erfährt. Wiese spricht von einer Maschine, einem Motor, der einen Zeiger in Bewegung setzt. „Und das macht er unglaublich gleichmäßig“, schwärmt der Schermbecker.

Die Bedeutung der Unruh

Wie genau die Zeit funktioniert, erklären Andreas Napiorkowski und Jürgen Leemhuis, beide Uhrmachermeister. Sie sitzen in der hellen Werkstatt über Tische gebeugt da. Die typische Uhrmacherlupe in ein Auge geklemmt. Napiorkowski fasst mit einer Art Pinzette eine winzige, goldene Kapsel, die er öffnet. Die Kapsel ist das Federhaus. Im Federhaus liegt die Feder eingerollt wie ein Murmeltier im Winterschlaf. Doch die Feder ruht nicht, die 30 cm gehärteter Stahl stehen unter Spannung, möchten sich abrollen. Das Federhaus ist mit dem Groß-, Klein-, Sekunden- und Ankerrad verbunden. Im Federhaus sitzen auch winzige Zähne, die die Kraft an die Räder weitergeben. Am letzten Rad, dem Ankerrad gibt es eine Hemmung, damit sich die Feder nicht auf einmal entrollt. Die sogenannte Unruh lässt frei, hält fest lässt frei . . . „Das ist die Portionierung“, sagt Wiese. Tick, Tack, Tick . . . So geht das Zeigerwerk seinen Gang.

Manchmal aber stolpert die Uhr. Sie schleicht, sie rast. Hat sie womöglich eine Wäsche nötig? „Auch jede noch so teure Uhr, mag sie auch ewig halten, muss regelmäßig gewartet werden“, erklärt Axel Schmiemann. Für die Uhren steht in der Werkstatt tatsächlich eine Waschmaschine. Keine Sorge, die guten Stücke werden darin nicht gekocht und geschleudert. Die Uhrmacher zerlegen den Zeitmesser in alle noch so winzigen Einzelteile. Die kommen fein sortiert in kleine Metallkörbchen. Und diese landen in der Waschmaschine, die sich keine Hausfrau leisten kann. „Ihr Anschaffungswert liegt im fünfstelligen Bereich“, sagt Wiese. Die gute Ausstattung mit Spezialwerkzeugen und -maschinen gestatten es dem Unternehmen überhaupt erst Uhren bestimmter Marken auch reparieren zu dürfen.

Eine Waage, die nicht wiegt

Ist die Uhr nicht einfach nur schmutzig, hat sie ein anderes Wehwehchen, kommt die Zeitwaage ins Spiel. „Hier wird natürlich nicht die Zeit gewogen“, sagt Schmiemann, sondern bestimmt, wie genau die Uhr geht.“ Die Waage lässt jeden Laut der Uhr hörbar werden. „Wir können die Schlagzahl genau ablesen“, sagt Jürgen Leemhuis. Die Zeitwaage ist eine Art EKG für Uhren.

In der Uhrmacherwerkstatt Schmiemanns, in der vier Uhrmachermeister arbeiten, wenn man Chef Axel Schmiemann mitzählt, ist es für Besucher spannend. Zu sehen sind viele Geräte zum Öffnen und Schließen der Uhren. Manche Zeitmesser dürfen auch Karussell fahren, um sich bei der nachgestellten Bewegung einer Hand aufzuziehen. Damit die Feder schön unter Spannung bleibt. Und das rhythmische Tick-Tack 28 800 Mal in der Stunde ertönt.

Auswirkungen der Jahreszeiten

Die Gangart einer Uhr ist auch extrem vom Bewegungsmuster ihres Trägers abhängig. „Ein Bauarbeiter hat ein anderes Bewegungsmuster als ein Anwalt und ein Tennisspieler ein noch ganz anderes“, sagt Roland Wiese. Aber auch die Schwerkraft hat Auswirkungen. Trägt jemand seine Uhr nach unten zeigend am Arm, läuft sie anders, das tut sie auch je nach Jahreszeit. Oder auch je nach Luftfeuchtigkeit, wenn es sich nicht gerade um ein wasserdichtes Exemplar handelt.

Apropos Zeit. Wiese erzählt, dass bis zum Siegeszug der Eisenbahn jeder Ort seine eigene Zeit hatte. Wie das? „Mittag ist, wenn die Sonne im Zenit steht“, sagt Wiese. Das ist Ort für Ort verschieden. „Für die Bahn mussten Zeitpläne erstellt werden“, erklärt Wiese. Da brauchte es eine einheitliche Zeit in bestimmten Regionen der Welt. Und so entstanden die Zeitzonen.

Roland Wiese wirft einen stolzen Blick auf seine eigene Uhr. „Seit ich sie vor drei Wochen gestellt habe, ist sie 30 240 Mal rumgegangen“, sagt er. Jetzt ginge sie 15 Sekunden falsch. Wiese: „Sie hat einer Fehler von einer Viertel Umdrehung“, erklärt der Fachmann und nennt seine Uhr eine gute.

Zu den exklusiven Uhrenmarken, die Schmiemann führt, gehört auch Rolex. Roland Wiese sagt: „Rolex baut extrem gute Uhren.“ Für diese Marke gebe es keine Zulieferer. „Rolex baut alle selber“, erläutert Wiese. Selbst die Edelmetalle würden dort gemischt.

Wiese hat noch mehr Lob übrig. „Die Qualität der Uhrwerke ist in allen Rolex-Uhren gleich. Da spielt die Preisklasse keine Rolle.“ Und Preisklassen gibt es bei dieser Nobelmarke viele. Manche der Uhren kosten 60 000 Euro.

Wenn die Uhren doch vom Material so solide sind, was hat ihnen dann, diesen auf der anderen Seite etwas zweifelhaften Ruf eingebracht? „Dieses Prestige“, erklärt Wiese, „hat etwas mit ihrem hohen Wiederverkaufswert zu tun.“ Sprich, eine Rolex verliert mit den Jahren nicht an Wert. „Das haben Zuhälter früher ausgenutzt“, verdeutlicht Wiese. „Wenn sie flüssig waren, haben sie das Geld nicht aufbewahrt, sie haben es angelegt und zwar in teuren Uhren.“ So hatten sie vorgesorgt, für schlechtere Zeiten, in denen sie ihre Rolex einfach wieder verkauften.

Die Konzessionen von Geschäften, bestimmte Uhrenmarken überhaupt verkaufen zu dürfen, hängen übrigens auch von der Ausstattung der Werkstatt und der Ausbildung des Personals ab. Weshalb die Uhrmacher regelmäßig Weiterbildungen besuchen.

Das jüngste Mitglied in der Werkstatt, Nadine Nowak, hat ihre Ausbildung noch gar nicht so lange hinter sich. Die Uhrmacher-Gesellin arbeitete zwischenzeitlich in Paris, ehe sie nach Oberhausen kam. Der Meister Jürgen Leemhuis wurde von Mallorca abgeworben. Und Andreas Napiorkowski kommt aus Polen. Uhrmacher liegen eben wieder voll im Trend der Zeit.