Dave Gahan hat seinem Körper immer alles abverlangt. Wenn der 51-Jährige heute zu den ersten Klangtropfen des mehr als zweistündigen Auftritts in die König-Pilsener-Arena tänzelt, denkt man nicht an zermürbende Drogengeschichten und Krankheiten, die dem Sänger in den 90er Jahren beinah das Leben kosteten.
Gahan steht für die Depeche Mode. Irgendwie unkaputtbar. Und doch ist es eine sensible Liebesbeziehung zwischen Bühne und Rängen. Ein distanziertes Drehbuchkonzert würden die 12 000 Fans in der ausverkauften Halle den Briten übelnehmen. Doch schon nach „Welcome to my world“ hat die Band, die vor 33 Jahren ihren Siegeszug startete, bereits mächtig gepunktet.
Protz zerstört nicht die Seele des Konzerts
Das liegt nicht an der für einen Konzertauftakt eher gediegenen Songauswahl, sondern an der immensen Strahlkraft des Ganzen. Depeche Mode verbinden Mensch und Technik. Die Tour „Delta Machine“ zeigt mechanisch genau, wie eine ansprechende Optik mit Klangkonstruktionen harmonieren kann, ohne die Seele des Konzerts zu ramponieren.
Konkret heißt das: Drei Videoleinwände sind großes Kino, dazu zwei weitere LED-Elemente, die sogar auf Treppenstufen sprühende Feuerfunken projizieren. Gahan dreht schon vor dem ersten Szenenapplaus seine Pirouetten, in gut 120 Minuten wird er diesen Drehwurm 29 Mal ansetzen, oft auf den Bühnensteg stolzieren, den Erste-Reihe-Stehern die Beweglichkeit seines Hinterteils demonstrieren und seine Garderobe von schwarzer Glitzerjacke, über eine dünne Weste bis zum durchgeschwitzten Oberkörper immer weiter entblättern.
Der Mann ist fit. Bei „Personal Jesus“, „Enjoy the silence“, „I just can’t get enough“ oder „A question of time“ sollte selbst Depeche-Mode-Novizen deutlich werden, welche stilprägenden Genrewerke sich in drei Jahrzehnten angesammelt haben. New Wave, Rock, Pop und pointierte Synths. Diesmal ist es nicht eine der in den Diskotheken so häufig abgespulten Motto-Partys. Die Konzert-Nostalgie taugt für Tagträume. Dafür streifen sich nicht nur Fans der ersten Stunden das schwarze T-Shirt über. Längst treffen sich komplette Familien zum Konzertausflug.
Dass David Gahan kaum einen Satz gen Publikum richtet bremst nicht die Herzlichkeit. Es sind besondere Momente, die hängen bleiben. Etwa wenn sich Multitalent Martin Gore das Mikrofon schnappt, im schummrigen Licht mit Balladen bezirzt und damit selbst Fans in Feldstecher-Entfernung ganz nah an die Bühne zieht.