Oberhausen. . Neue Stücke für jede Spielzeit: Nach welchen Kriterien wird der Stoff eigentlich ausgewählt? Die Dramaturgen Rüdiger Bering und Tamina Theiß beantworten diese Frage.

Vorweg ein dickes Lob ans Oberhausener Theater-Publikum: „Das ist sehr offen“, sagt Tamina Theiß. „Es ist gar nicht spießig“, findet auch Theiß’ Kollege, Rüdiger Bering. Die beiden sind zwei der vier Dramaturgen des Theaters. Und sie sind die beste Adresse, wenn man wissen will, wie Stücke eigentlich auf dem Spielplan landen.

Warum gerade Angst oder Brecht

Warum gerade „Angst“, warum „Brecht“ oder „Die Schöne und das Biest“? Warum so viele Stücke mit Musik und überhaupt diese außergewöhnlichen Aufführungen? Wer danach fragt, taucht in ein regelrechtes Meer aus Antworten. Vielleicht ist bereits das kreative Chaos im Raum der Dramaturgen Hinweis darauf, dass der Spielplan einer Saison ein Findungsprozess mit vielen Unbekannten ist.

Zwei Antworten kann Geschäftsführender Dramaturg Bering vorweg geben: „Oberhausen ist in vielerlei Hinsicht eine ungewöhnliche Stadt, es gibt keine Hochschule und nur eine kleine bürgerliche Schicht.“ Was bedeutet, dass sie auch Leute von außerhalb anlocken müssten. Deshalb die ungewöhnlichen Aufführungen. Und: Der früherer Musikalische Leiter Otto Beatus brachte die Musik ins Theater.

Aber es gibt auch einige Rahmenbedingungen. Im großen Haus müssen mindestens sieben Produktionen angeboten werden. Acht sind dort maximal möglich. Bei mindestens zwei Produktionen ist es die Pflicht des Intendanten, Peter Carp, Regie zu führen. „Im Malersaal finden fünf Produktionen statt, maximal sechs“, sagt Bering. Dann bietet das Theater immer zwei bis drei, manchmal bis zu vier Außenprojekte an. Und das mit Landesmitteln geförderte Kinder- und Jugendtheater ist ja auch noch im Angebot mit mindestens fünf Produktionen - wie gerade „Die Schöne und das Biest“. „Da kann man auch Stücke spielen, die Abiturstoff an den Schulen sind, muss es aber nicht, wenn der Regisseur so gar nichts damit anfangen kann“, sagt Bering.

Für alle Aufführungen gilt, sagt Bering: „Es gibt die Faustregel, ein Stück sollte seit zehn Jahren nicht im Haus gespielt worden sein.“ Außerdem würde man die Stücke auch mit den Verantwortlichen der anderen Bühnen absprechen. „Das wichtigste aber ist, mit den Regisseuren zu sprechen, sich zu überlegen, was man von ihnen gerne sehen würde.“ Tamina Theiß: „Oder man liest einen schönen Text und sagt, das passt perfekt zu dem und dem Regisseur.“ Was die Stadt bewegt, was die Politik, all das müsse berücksichtigt werden. Theiß: „Wir leben ja nicht auf einer Insel.“ So wurde „Der Sparkommissar“ ja auch nicht rein zufällig angeboten.

Wie die Dramaturgen des Theaters Oberhausens ihre Stücke auswählen? Es ist nicht nur so, dass sie auf Regisseure zugehen, manchmal treten auch Regisseure an sie heran. Das war bei Dirk Laucke und „Angst und Abscheu in der BRD „ so. Ach, die vielen Musikstücke sind nicht nur auf den ehemaligen Musikalischen Leiter Otto Beatus, sondern auch auf die lange Musiktheater-Tradition des Hauses zurückzuführen.

Die Dramaturgen Tamina Theiß und Rüdiger Bering erklären, dass bei der Stückauswahl natürlich auch das Ensemble eine große Rolle spielt. „Den Hamlet macht nur, wenn es auch einen Schauspieler, der ihn spielen kann“, sagt Bering. Nicht zuletzt reisen die Dramaturgen viel, sehen sich Stücke an, Regisseure, Schauspieler. „Oder wir hören von einem guten Stück, das in England oder Rumänien aufgeführt wurde, Theis: Dann rufen wir beim Verlag an und fragen, ob es den Text auch auf deutsch gibt“, erklärt Bering. Im Moment, weil gerade die Spielpläne erstellt werden, schicken die Verlage auch Kataloge zu neuen Stücken an die Theater. Eine fertige Produktion auf der Bühne zu sehen, ist ein tolles Gefühl“, sagt Theiß. Bering: „Das Tolle an dem Job ist, dass jede Produktion anders ist.“ Es gebe kein „same procedur as every year“. Meisten sei die Arbeit ein spannendes Abenteuer.