Mehr als 200 Frauen werden in Oberhausen jährlich verfolgt, belästigt, bedroht. Meist von ihrem Ex-Partner, der die Trennung nicht akzeptiert und seiner ehemaligen Lebensgefährtin nun auflauert, sie unablässig anruft, ihr Briefe schreibt. Für die Betroffenen ein Psychoterror mit dramatischen seelischen und finanziellen Folgen.

Stalking habe es zwar schon immer gegeben, erzählt Andrea Birkenstock von der Frauenberatungsstelle. Doch die Dimensionen hätten sich verändert. „Den Tätern stehen heute dank Handy und Internet mehr technische Möglichkeiten zur Verfügung.“ So erhielten Frauen nicht selten 300 bis 400 SMS pro Tag, klagten über ein überlaufendes E-Mail-Register mit Schwüren wie „Ich liebe dich doch noch!“.

Auffällig: Die meisten Stalker hätten ihre Partnerin zuvor geschlagen. „Von der Polizei erhalten wir pro Jahr rund 120 Faxe mit der Bitte um Kontaktaufnahme, allesamt aus dem Bereich Häusliche Gewalt“, ergänzt Ute Speier-Lemm, bei der Frauenberatungsstelle für die Gewaltschutzberatung zuständig. Dazu kämen rund 80 Frauen, die ohne polizeiliche Meldung Hilfe in der Beratungsstelle suchten. Aber die Expertinnen wissen: „Die Dunkelziffer ist höher, nach einer Studie der Bundesregierung hat jede vierte Frau in ihrem Leben bereits Gewalterfahrungen machen müssen.“

Ein bei Stalking typischer Verlauf: Nach der Trennung gibt es erst Liebesschwüre, per SMS, auf den Anrufbeantworter, ins E-Mail-Fach. Dann lauert der Stalker der Frau auf, vor der Wohnung, vor der Arbeit, nach Feierabend, wenn sie ihre Freunde besuchen will. Reagiert sie nicht, verschärft sich der Ton: „Die Frau wird in sozialen Netzwerken, aber auch bei Familie und Freunden verleumdet. Dann heißt es plötzlich, ,Ich bringe mich um!’ oder gar ,Ich töte dich!’“, weiß Birkenstock.

Sie rät den Frauen: „Nicht darauf eingehen.“ Und vor allem: „Sich niemals auf eine nochmalige Aussprache einlassen, denn das könnte tatsächlich das letzte Gespräch sein!“ Denn die Gewaltbereitschaft der Täter sei groß.

Betroffene Frauen fühlen sich diesem Treiben meist hilflos ausgeliefert. Sie sollten sich deshalb unbedingt Unterstützung suchen und den Fall öffentlich machen. Wer sich an die Beratungsstelle wendet, werde dort erst einmal seelisch aufgefangen. „Wir raten auch zum Besuch eines Selbstverteidigungskurses“, betont Ute Speier-Lemm. Denn obgleich beharrliches Nachstellen seit 2007 strafbar ist, lasse die Gesetzgebung leider zu wünschen übrig.

„Die Lebensgestaltung des Opfers muss nämlich erst schwerwiegend beeinträchtigt sein.“ Und ob und wann dies gegeben sei, damit auch Anklage erhoben werde, entscheide die jeweilige Staatsanwaltschaft beziehungsweise das Gericht, sagt Andrea Birkenstock.

Wer also nicht nachweisen kann, durch die Verfolgungen unter Angstzuständen, Schlafstörungen oder Depressionen zu leiden, die Telefonnummer oder bereits den Wohnort und Arbeitgeber gewechselt zu haben, habe schlechte Karten.

„Je nach Situation, bitten wir deshalb die Arbeitgeber und die Kollegen um Beistand“, berichtet Speier-Lemm. „Wir raten dazu, Zeugen zu benennen und die Nachstellungen in allen Einzelheiten zu dokumentieren.“ In einem Fall sei das recht leicht gewesen. Da habe der Arbeitgeber die E-Mail seiner betroffenen Mitarbeiterin für den Stalker sperren lassen. „Daraufhin bedrängte er sie einfach über die Mail-Adressen ihrer Kollegen weiter“, erzählt Birkenstock.