Oberhausen. Polizei und VHS bieten Selbstsicherheitskurse an. Teilnehmerinnen lernen dabei Gefahrensituationen vorzubeugen und zu meistern – ohne Kampfsporteinlagen.
Beinahe jede Frau kennt diese Situation: Sie sitzt im Bus oder in der Bahn, ein fremder Mann nimmt neben ihr Platz und spricht sie an – im schlimmsten Falle rutscht er immer näher herüber und berührt sie „versehentlich“ am Bein. Doch wie können solche äußerst unangenehmen Situationen vermieden werden und wie sollte Frau sich verhalten, wenn sie in eine brenzlige Situation gerät? Das zeigten die Kriminalbeamtinnen Claudia Pütz und Kerstin Skrzypczak des Polizeipräsidiums Oberhausen acht Teilnehmerinnen in einem zweitägigem Selbstsicherheitskurs für Frauen in der Volkshochschule Oberhausen.
„In einer Stresssituation dauert die Schockphase etwa anderthalb bis fünf Sekunden, dann heißt es für das Opfer handeln und Widerstand leisten“, erklärt Pütz. Das Problem sei allerdings, dass die Frauen durch die Handlung des Täters verunsichert und wie gelähmt seien. Häufig ertragen sie die Tat, weil ihnen nicht einfalle oder sie nicht wissen, wie sie sich verhalten sollen. „Deswegen geben wir ihnen Handlungsanweisungen mit auf den Weg, die ihnen helfen, schneller zu reagieren und die Schockphase zu verkürzen“, erzählt Skrzypczak.
Prävention stehe im Vordergrund
Nicht immer muss sich Frau in einer gefährlichen Lage befinden, um die Tipps der beiden Kriminalbeamtinnen anzuwenden. Auch im täglichen Leben gibt es unangenehme Situationen, die vielen Frauen bekannt sind. Zwei Teilnehmerinnen stellen freiwillig ein Beispiel nach: Es schellt an der Haustüre und ein aufdringlicher Vertreter möchte seine Produkte verkaufen – hier zählt jetzt Durchsetzungsstärke.
„Bleiben Sie im Hausflur stehen und halten zum Vertreter genügend Abstand, um Ihr Desinteresse deutlich zu machen“, rät Pütz. Eine aufrechte Körperhaltung und Blickkontakt unterstützen das sichere Auftreten. Für die Frauen sei besonders wichtig: Konsequent bleiben und auf kein Gespräch eingehen.
Konzept von Frauen gut aufgenommen
Seit 2009 geben die beiden Kriminalhauptkommissarinnen Selbstsicherheitskurse im Bereich der Vorbeugung. „Das Konzept wurde neu entwickelt und wird von den Frauen sehr gut angenommen“, berichtet Pütz. Die Nachfrage habe sich seither mehr als verdoppelt. „In unseren Kursen geht es nur um das Verhalten und die Körpersprache der Frauen – ohne Gewalt oder Waffen anzuwenden“, erklärt Skrzypczak.
Denn echte Prävention stehe hier im Vordergrund, und das bedeute: „Die Frauen sollen durch ein selbstbewusstes und sicheres Auftreten gar nicht erst in das Blickfeld eines möglichen Täters geraten.“ Die Kurse enthalten deshalb auch keine Kampfsporteinlagen und setzen keine besondere körperliche Fitness voraus. „Jede Frau in einem Alter ab 21 Jahren kann unser Angebot wahrnehmen“, so Pütz. Allerdings sei zu beachten, dass es sich nicht um ein therapeutisches Angebot handelt, und daher auch nicht für Frauen geeignet sei, die unter einem seelischen Trauma nach Gewalterfahrungen leiden.
Selbstbewusstsein stärken
Neben zahlreichen Situationsspielen aus dem Alltag – in denen die Frauen lernen sich durchzusetzen und „Nein“ zu sagen – klären die Kriminalbeamtinnen auch über die rechtliche Einordnung bestimmter Tatbestände auf. „Aus Scham reden die meisten Frauen über unangenehme Situationen nicht – ihnen ist das mehr als peinlich.
So bleiben leider viele Täter unbestraft.“ Deswegen bieten sie den Kurs auch an: „Die Frauen sollen ihr Selbstbewusstsein stärken, wachsam und mit offenen Augen durchs Leben gehen.“ Es sei umso wichtiger, sie im Vorfeld aufzuklären und Tipps zu geben, die im Kopf bleiben und in der Realität umzusetzen sind. Denn die Kriminalbeamtinnen wissen: „In brenzligen Situationen kann Frau nur das anwenden, was sie bereits weiß oder mehrfach geübt hat.“