Wahlkampf ist ein hartes Brot: Das bekommt nicht nur die Basis, sondern alle Jahre wieder ebenso eine Spitzenpolitikerin zu spüren, wenn sie sich mit Bürgern trifft. Der dunkelblaue Truck, vor dem Sahra Wagenknecht die rund 300 Menschen auf dem Friedensplatz für die Politik der Linken begeistern will, lädt normalerweise zu Hüpfburg, Dart und Nintendo ein.

„Halskette oder Stinkefinger“

Heute sind es Mindestlohn, Minijob und Millionärssteuer – und eine Spitzenkandidatin der Linken, die sich offenbar von einer rot-rot-grünen Koalition im Bund verabschiedet hat: „SPD und CDU unterscheiden sich doch nur noch in der Frage ‘Halskette oder Stinkefinger’“, stichelt Wagenknecht zum Auftakt.

Vor allem die Sozialdemokraten kriegen in den folgenden 45 Minuten gehörig ihr Fett weg: Agenda 2010, Hartz IV, Niedriglohn, Liberalisierung der Leiharbeit schreibt die linke Spitzenkandidatin in erster Linie auf das Konto der SPD. „Kein Wunder, wenn die derzeit um die 20 Prozent liegt.“

Massen sind es nun gerade auch nicht, die der Besuch von Wagenknecht anzieht, unter ihnen sind aber auffällig viele ältere Menschen der Generation 50plus. „Das erleben wir auch an den Info-Ständen“, bestätigt der Fraktionsvorsitzende der Linken, Yussuf Karacelik.

Die Linken sehen sich aber im Aufschwung und rechnen mit zehn Prozent, vielleicht auch mehr – „gerade, wenn Grüne und SPD weiterhin so einen lahmen Wahlkampf wie bisher machen“, glaubt der Direktkandidat der Oberhausener Linken, Niema Movassat. Und wenn seine Partei es versteht, die enttäuschten Nicht-Wähler zu mobilisieren. Ob die allerdings an diesem Tag unter den Menschen am Friedensplatz sind, kann auch Karacelik nicht sagen.

Von der Einschätzung der Glaubwürdigkeit der SPD in der Frage sozialer Gerechtigkeit profitiert die Linke – wenn auch nicht so, wie sie es sich von dem Slogan „100 Prozent Sozial“ erhofft.

Auf dem Friedensplatz nährt Wagenknecht die Zweifel an den geläuterten Genossen, ist um die Unterschiede zwischen Original und Fälschung bemüht: Die soziale Gerechtigkeit der SPD sei „Heuchelei. Was heute Reformen heißt, hat man früher ‘Sozialabbau’ genannt.“

Von Korruption durch die Wirtschaft spricht Wagenknecht weiter: SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück sei in der großen Koalition mit für die Milliardenrettung der Banken verantwortlich gewesen. Gerhard Schröder, Wolfgang Clement (beide SPD) und Joschka Fischer (Grüne) seien nach ihrer politischen Karriere in Konzernen untergekommen. „Man könnte meinen: Das ist gekaufte Politik.“

Die linke Kandidatin wirkt weniger spröde als auf ihren Plakaten, doch einen großen Andrang gibt es zur Autogrammstunde danach nicht. Die Zuhörer sind schnell weg, nach einem Blumenstrauß und zehn Minuten ist auch Sahra Wagenknecht verschwunden.