Serdar Somuncu keilte im Ebertbad verbal mächtig aus. Gott sei Dank in alle nur möglichen Richtungen.

Was passieren kann, wenn man zu viel fernsieht: Serdar Somuncu entwickelt beim täglichen Glotzen in die Röhre zwei Dinge - einen „aufrichtigen Hass” und wohl eine der radikalsten und gleichzeitig bemerkenswertesten politischen Kabarettshows, die zurzeit durch die Republik tingelt. Der in Istanbul geborene Kabarettist und Schauspieler schlug im Ebertbad gewaltig auf.

„Der Hassprediger” ist eine anderthalbstündige wutschnaubende Stampede durch den „Alltagsfaschismus” der Republik, die vor nichts haltmacht: Politik, Karneval, Deutsche, Türken. Wer „lustig, aber lieb” möchte, sollte zu Nuhr und Barth gehen. Denn Somuncu suhlt sich in Vulgarismen, schreit, lacht, schüttet sich Wasser über den Kopf und sieht dann noch wilder, wahnsinniger aus: „Alles muss raus!” - das meint nicht etwa den gesellschaftlichen Ausverkauf, es ist sein Konzept des therapeutischen Raums „Kabarett”. Eine Art „Selbstentmüllung”, wie Somuncu sagt.

Die gesellschaftliche Nische, in der alles ungefiltert gesagt werden kann, sogar muss, nimmt er ernst. Er spielt den Misanthropen aus humanistischen Gründen.

Denn das „alles” kommt aus dem „kleinen Ding, das wir TV nennen”, wettert der Kabarettist. Ein Programm, das uns gedanklich mit Meinungsumfragen, Angst schürenden Prognosen und Non-Information fernsteuert: „Das ist der neue Hitler - schlimmer als 25 Jahre RTL kann ich nicht werden.”

Sicher: Dass Fernsehen dumm mache, ist wirklich keine originelle These, sie gehört zum guten Ton der „Aufklärer” von Kalkhofe bis Pispers.

Für Somuncu gehen die Kollegen nicht weit genug: Pispers sei ein gescheiterter Lehrer, Django Asyl und Kaya Yanar nur Klischeetürken, Schmidt eine „neoliberale Sau” und Beckmann eine Art „Wickie im Vorruhestand”. Und auch die Zeitung kommt unter seinem kritischen Blick kaum besser weg: Vor zwei Jahren rechnete er Abend für Abend ab mit dem Blatt, das die vier großen Buchstaben trägt.

Mit Hitler und Faschismus kennt sich Somuncu allerdings aus: 1996 las er „Mein Kampf” gegen den Strich, vier Jahre später nahm er Goebbels Sportpalastrede kritisch unter die Lupe. Dafür bekam der 40-Jährige zwar den Prix Pantheon (2004) verliehen, brauchte jedoch nicht selten Personenschutz. Denn Somuncu macht sich gerne unbeliebt auf allen Seiten, provoziert Widerstand bei den Radikalen, den Biedermännern, den Christen, den Muslimen. „Trauen Sie keinem, der weniger Risiko eingeht als Sie selbst”, flüstert er dem Publikum zu. Die „Kredibilität” hat er im ausverkauften Ebertbad zumindest: Als Somuncu erschöpft und ohne Zugabe die Bühne verlässt, bekommt er stehende Ovationen.