Oberhausen.
„Ein ganz klares Nein – bis hierhin, und nicht weiter. Diesen Unsinn haben wir schon vor achtzig Jahren bekämpft.“ Oberhausens Superintendent Joachim Deterding findet klare Worte zur fremdenfeindlichen Hetze, die unsere Nachbarstadt Duisburg dieser Tage in Atem hält: Rechtsradikale marschieren vor einem Flüchtlingshaus auf, es kommt zu gewalttätigen Ausschreitungen und offenen Anfeindungen – seit Tagen schon organisieren Bewohner Nachtwachen, um die Zuwanderer zu schützen.
„Die Bilder sind dramatisch“, sagt Deterding schockiert über die Entwicklungen im Stadtteil Rheinhausen. „Das grenzt ja fast an Ghettoisierung – ein Hochhaus voller Roma, das plötzlich als riesengroßer Bedrohungspunkt angesehen wird. Aber ist es das wirklich?“
„Viel zu viel rechtes Potential“
Oberhausen stehe derzeit zwar nicht so sehr im Fokus der rechten Szene – „aber was in Duisburg passiert, kann immer und überall passieren“, mahnt Deterding und erinnert an den versuchten Anschlag auf das Asylbewerberheim an der Gabelstraße vor vielen Jahren. „Auch wir haben hier eine rechte Szene, die ist Gott sei Dank sehr klein. Aber selbst eine kleine rechte Szene ist noch zu viel.“ Von Entwarnung könne man jedenfalls keineswegs sprechen: „Uns selbst auf die Schulter zu klopfen, wäre falsch – dazu gibt es auch hier noch viel zu viel rechtes Potential.“
Trickdiebstähle, Einbrüche, Übergriffe – die gestiegene Kriminalität durch Zuwanderer aus Osteuropa ist ein gefundenes Fressen für Rechtspopulisten, um die Ängste der Bevölkerung gezielt zu schüren und rechte Ideologien zu verbreiten. „Natürlich sind das echte Probleme, die gelöst werden müssen“, betont Deterding. Doch eigentlich sei es in der deutschen Rechtsprechung doch so: Hat man einmal geklaut, wird man für die Tat bestraft, aber nicht sofort als Dieb gebrandmarkt. „Bei der Debatte um Flüchtlinge ist es andersherum: Hat einer geklaut, sind alle Flüchtlinge Diebe“, moniert der Superintendent. „Das ist unangemessen.“
Vorurteile entstehen aus Neid
Der Nährboden für viele der Vorurteile und Anfeindungen sei oftmals Neid: „Allein schon das Wort Wirtschaftsflüchtling ist eine maßlose Frechheit“, kritisiert Deterding. „Die Menschen fliehen nicht zu uns, weil sie noch mehr Geld wollen, am besten ohne zu arbeiten. Diese Menschen kommen, weil sie sonst verhungern.“ Hätte man einmal gesehen, wie Flüchtlinge dicht gedrängt in winzigen Zimmern leben, würden die rechten Sprüche ausbleiben. „Das sind Zustände, die niemand freiwillig haben will.“
438 Flüchtlinge aus den verschiedensten Ländern leben derzeit in Oberhausen, bald sollen vermehrt syrische Flüchtlinge aufgenommen werden. „Hier prallen Kulturen aufeinander“, sagt der Superintendent und plädiert für eine klare, offene Kommunikation. „Konflikte müssen ausgetragen werden – von Mensch zu Mensch.“ Denn es sei keineswegs ein Übergriff, unangemessene Verhaltensweisen offen anzusprechen: „Das würde ich so mit meinen Kindern machen, mit meinen Konfirmanden. Wieso nicht auch mit einem Flüchtling?“ Doch dazu fehle vielen Menschen schlicht das Werkzeug – ein gesellschaftliches Problem, kritisiert Deterding: „Viele schreiben lieber einen Leserbrief an die Zeitung, als ihren Nachbarn direkt auf ein Problem anzusprechen.“
Warme Worte findet der Superintendent hingegen für die Menschen, die in Rheinhausen Mahnwachen abhalten und ihre Freizeit opfern, um sich für die Zuwanderer stark zu machen: „Ich möchte all diesen Menschen ganz viel Mut machen, die öffentlich zeigen: So etwas dulden wir hier nicht. Das verdient höchsten Respekt.“
Bürgerwache für Roma in Duisburg