Nils Reinders lehnt sich aus dem Fenster und blickt auf diese Straße, die nicht mehr so ganz die seine ist. Reinders (24) sieht mit Erstaunen diese wüste vierspurige Asphaltwelt. Gerade in diesem Moment liegt sie völlig verwaist da. Obwohl eine Spur der Mülheimer Straße ja noch befahren werden kann. Doch Nils Reinders stört weniger die Optik als die Akustik oder besser gesagt: Es sind die nicht mehr vorhandenen Geräusche, die ihm fehlen.
Als er ein Jahr alt war, zogen seine Eltern in das Haus an der Mülheimer Straße 80. Und so wuchs der Junge mit dem Lärm der stark befahrenen Straße auf. Als jetzt drei Spuren gesperrt wurden, war es vorbei mit dem ewig lauten Rauschen, den quietschenden Reifen der Wagen, die dort ganz gerne Mal - besonders nachts - Rennen fahren, dem Aufheulen beschleunigender Motorräder. Sicher, auf einer Spur da fahren sie ja noch. Aber, „die können nur noch schleichen“, stellt der Metallbauer fest. „Da ist überhaupt kein Tempo mehr drin.“ Lärm aufs Minimum gedrosselt.
Als die Straße bis auf eine Spur gesperrt wurde, befiel Reinders diese Unruhe ob der plötzlichen Ruhe. „Ob ich heute Nacht schlafen kann, weiß ich noch nicht“ schrieb er auf der Facebook-Seite der WAZ. Jetzt ist die Frage, kann er denn schlafen? „So langsam gewöhnt man sich daran“, stellt er fest. Und ja das Beunruhigende an der Geschichte ist, dass er sich vielleicht ganz an diese lärmlose Idylle gewöhnen könnte. Auch Nils Reinders jüngerer Bruder Torben (17) sagt zu der momentanen Situation: „Ich kann immer schlafen. Aber da fehlt schon was.“ Aber irgendwo sei die plötzliche Ruhe auch angenehm.
Hinten im großen Garten, der zu der Wohnung gehört, herrscht jetzt geradezu ländliche Idylle. „Sonst ist es hier immer laut“, erklärt Nils Reinders. Er hat sich so sehr an den Verkehrslärm gewöhnt, dass er einmal - zu Besuch seiner Oma auf dem Dorf - zum Einschlafen Musik brauchte. Beide Reinders ziehen wohl den Krach vor, sie würden sogar am liebsten später auch selbst in diesem Haus mit den hohen Decken und dem großen Garten wohnen.