Oberhausen. Zwischen Bangen und Hoffen: Der Kinder- und Kulturkreis macht seit 30 Jahren Flüchtlingsarbeit. Anfänge mit Bastelangeboten und Hausaufgabenhilfe in Altenberg.

Es gibt Situationen, an denen könnte Andrea Schreiber verzweifeln. Damals zum Beispiel, als sie alles gegeben hatte, um für das Kind aus dem Flüchtlingsheim einen Kindergartenplatz zu besorgen. „Und dann kam ich morgens da an, um die Kleine abzuholen, und die Familie war weg. Einfach abgeschoben.“ Auch nach vielen Jahren als Mitarbeiterin im Kinder- und Kulturkreis Oberhausen geht der Betreuerin so etwas ans Herz. Zum 30. Geburtstag des Vereins blickt sie zusammen mit Vorstandsmitglied Holger Füngerlings auf bewegte Jahre zurück.

Entstanden ist der Kinder- und Kulturkreis aus der Oberhausener Arbeitsgruppe des Kinderhilfswerks Terre des Hommes. Füngerlings war deren Mitbegründer im Jahr 1981. „Wir wollten nicht nur in der Dritten Welt helfen“, erinnert er sich, „sondern auch vor Ort für Ausländer da sein.“ Neben den Projekten in der Westsahara und auf den Kapverden begann die Gruppe, den Kindern mit Migrationshintergrund aus dem Wohnumfeld des Zentrum Altenberg Nachmittagsangebote zu machen. Basteln, Spielen, Hausaufgabenbetreuung.

Kosten für Umbau wurden privat gestemmt

Es kamen um die 50 Kinder, zwei Mal pro Woche. Als Räumlichkeit diente ein altes Holzlager auf dem Altenberg-Gelände. Das musste jedoch erst umgebaut werden. „Es sollte zehn Wochen dauern und 2000 DM kosten“, erzählt Füngerlings schmunzelnd. Tatsächlich wurden es 10.000 Mark und – ein ganzes Jahr Arbeit. Die Truppe zeigte sich kreativ, schließlich mussten die Kosten privat gestemmt werden. „Wir machten einen Bücherverkauf, gaben eine Zeitung heraus, für die wir Anzeigen verkauften und zu meiner Hochzeit bat ich um Spenden statt Geschenken.“

Mit Kohleofen beheizt, das Abwasser an der Regenrinne vor dem Haus angeschlossen, wurde eine liebevoll-chaotische Anlaufstelle für Kinder daraus. Bis zum Januar 1987, als Altenberg geschlossen wurde. Terre des Hommes plus Kinder- und Kulturkreis, der ja aus ein und denselben Personen bestand, zog um in die Josefschule, dann nach Eisenheim. Und im September 1993 wieder zurück ins frisch renovierte Altenberg, wo bis heute Gruppenräume, Büro und Küche sind.

Enge Zusammenarbeit mit der Stadt

Im gleichen Jahr wurde der Kinder- und Kulturkreis ein eingetragener Verein und nahm die Flüchtlingsarbeit auf. Erst in den inzwischen geschlossenen Wohnheimen Rehmer und Gabelstraße, bis heute in der Weier- und Bahnstraße. Als einzige hauptamtliche Beschäftigte besucht Andrea Schreiber die zurzeit insgesamt 176 Erwachsenen und 122 Kinder und bietet ihre Hilfe an. Die reicht vom Gang zu Ämtern und Ärzten bis zum Kontakt zu Kitas und Schulen. Dabei arbeitet die 52-Jährige eng mit der Stadt und der Regionalen Arbeitsstelle für Zuwandererfamilien zusammen.

„Am schlimmsten ist es immer am Tag, nachdem eine Familie abgeschoben wurde“, sagt Schreiber. „Da fragen sich dann alle anderen, wofür es sich noch lohnt weiterzumachen.“ Es ist dann an ihr oder an einer der Honorarkräfte, Eltern und Kinder wieder aufzurichten. „Wir können gut zureden“, sagt Andrea Schreiber, „falsche Hoffnungen können wir nicht machen.“

Flüchtlinge brauchen eine Perspektive

Sinti, Roma, Kosovaren, Syrer, Afghanen, Iraner, Iraker, Afrikaner und Tschetschenen trifft Kinder- und Kulturkreis-Mitarbeiterin Andrea Schreiber tagtäglich, „total traumatisierte Familien“, sagt sie. Sie alle brauchen ärztliche Hilfe, die Kinder müssen geimpft und durchgecheckt werden, brauchen Kita- und Schulplätze, auch einen Sprachkurs hat der Kinder- und Kulturkreis inzwischen im Angebot. Die Flüchtlinge seien dankbar für die Hilfen, sagt Schreiber. Und doch sind es andere Dinge, die sie eigentlich brauchten: eine Perspektive. Sie alle hätten kein Geld und lebten mit der Angst vor der Abschiebung, dürften aber nicht arbeiten. Eine deprimierende Situation.

Neben der Flüchtlingsarbeit gehörte noch bis zum Ende dieses Schuljahres die Ganztagsbetreuung an der Josefschule zum Angebot des Kinder- und Kulturkreises. Finanziert werden Halbtagskraft und Honorarkräfte mit Mitteln von Stadt und Land. Hinzu kommen Vereinsmittel, Spenden und Beiträge von Fördermitgliedern. Im vergangenen Jahr waren dies 15.000 Euro. Doch es ist immer alles knapp auf Kante.

Die Kinder haben kaum Ansprüche

„Für dieses Jahr haben wir noch ein Loch von 8000 Euro“, sagt Vereinsvorstandsmitglied Holger Füngerlings. Und die Verhandlungen mit dem Jugendbereich der Stadt ließen keinen guten Ausgang erhoffen. „Wir wünschen uns Verstärkung aus Politik und Verwaltung“, sagt er, der selbst als Fachbereichsleiter bei der Stadt arbeitet. „Es wäre fatal, wenn wir unsere Arbeit einstellen müssten. Die Jugendlichen wüssten nichts mit sich anzufangen, würden Blödsinn machen und die Gemeinschaft letzten Endes noch viel mehr Geld kosten.“ Wenn die Kleinen spielen, basteln, tanzen, wenn sie die Chance haben, herauszukommen aus ihrem beschränkten Umfeld, dann steigert das ihr Selbstwertgefühl, sagt Füngerlings.

„Die Kinder haben kaum Ansprüche“, sagt Andrea Schreiber. „Wenn die mal einen Schulausflug in den Kaisergarten machen, ist das eine Sensation für sie. Da reden die drei Tage drüber.“ Und doch sei es so schwierig, die Angebote zu finanzieren. „Das Thema wird immer unter dem Kostenaspekt diskutiert“, sagt Holger Füngerlings. Dabei kenne er eine viel bessere Herangehensweise, eine, die emotional und echt ist – und immer funktioniert: „Ich empfehle jedem Politiker, einmal ein Flüchtlingsheim zu besuchen.“