Oberhausen.. Die Straßenbahn-Linie 112 stellte an der Stadtgrenze zu Oberhausen ihren Fahrtakt um. Von der Haltestelle “Landwehr“ fährt sie alle 20 Minuten. Nun scheint vieles aus dem Takt gekommen zu sein - Verspätungen, Fahrausfälle oder überraschende Durchfahrten. Die WAZ hat eine Testfahrt gemacht.
„Hallo. Du, komme erst später, die Straßenbahn ist einfach ohne mich weitergefahren“, erzählt die etwa zwölfjährige Styrumerin ihrem Handy. Sie wirkt etwas verdutzt, denn die Linie 112 blieb zwar wie vorgesehen einige Sekunden an der Haltestelle Landwehr stehen, fuhr dann aber los, ohne jemanden einsteigen zu lassen. Für die verblüfften Fahrgäste heißt es nun: 20 Minuten warten auf die nächste Bahn.
Viele Nahverkehrspendler zwischen Mülheim und Oberhausen sehen solche Erlebnisse jedoch nur als die Spitze des Eisberges an. Denn seit die Straßenbahn-Linie 112 an der Stadtgrenze ihren Takt umgestellt hat, und von der Haltestelle „Landwehr“ aus nach Oberhausen nur alle 20 Minuten weiterfährt, scheint vieles aus dem Takt geraten zu sein: massive Verspätungen, Ausfälle oder überraschende Durchfahrten wie eben diese gehören für Styrumer auf beiden Stadtseiten zum nervtötenden Alltag.
Im Schneckentempo
Von bis zu 30 Minuten Wartezeiten auf eine Straßenbahn berichten einige Pendler. Dabei läuft es auf unserer Testfahrt zur Mittagszeit noch recht flüssig. Mit drei Minuten Verspätung fährt die Straßenbahn in Mülheim „Stadtmitte“ ein. An der sanierungsbedürftigen Thyssen-Brücke, wo Autos und auch die Straßenbahn nur einspurig im Schneckentempo fahren können, ist zum Glück kein Stau. Schon nach einer halben Minute ist sie überquert.
Doch zu den Spitzen im Berufsverkehr sorgt diese Stelle wie ein Nadelöhr für kräftige Verspätungen, räumt ein Pressesprecher der Mülheimer Verkehrsbetriebe ein. Personalmangel und technische Mängel gebe es im Augenblick zwar nicht. Doch das ist nicht die Regel: Gerade die neueren Niederflurbahnen, die auf dieser Strecke eingesetzt werden, erweisen sich als besonders störanfällig.
Bahnen sind überaltert oder fallen häufiger aus
Andere Bahnen, die Ersatz leisten müssen, sind dagegen überaltert, fallen häufig aus, der Ein- und Ausstieg dauert wegen schlechter und zu enger Türen länger. Auf Teilen der Strecke wie etwa Weichen müssen sie besonders langsam fahren oder sie müssen von Hand umgestellt werden, weil sie für moderne Fahrzeuge ausgelegt sind. Diese vielen kleinen Hürden türmen sich zu großen auf, führen zu massiven Verzögerungen.
Zudem müssen die intakten Bahnen wegen Verspätungen immer wieder „kurz genommen“ werden, sprich: Sie wenden etwa an der Haltestelle Olga Park vorzeitig, um Verspätungen der Bahn aus Richtung Sterkrade aufzufangen. Nur müssen die Fahrgäste dafür aussteigen und mit dem nächsten Bus weiterfahren.
„Das Ende der Fahnenstange ist erreicht“, wetterte Werner Overkamp, heutiger Geschäftsführer der Stoag GmbH, bereits im Frühjahr 2012, als sich politisch schon die Anforderung noch mehr einsparen zu müssen ankündigte. Die Kürzungen im Fahrplan – die eigentlich von der Stoag behutsam vorgenommenen werden sollten – wirken in der Praxis jedoch wie eine zu kurze Bettdecke.
Fahrgäste haben genug vom Sparkurs
Den Fahrgästen reicht der Sparkurs der Stoag inzwischen gehörig. Schon mehrfach entlud sich ihre Wut an den Fahrern, die jedoch selbst Opfer der Kürzungen sind. Mit engen Fahrplänen, längeren Schichten und kürzeren Pausen sollen sie die spürbaren Defizite im Nahverkehrsnetz ausbügeln.
Bei einer Testfahrt der Redaktion hält die 112 um 12.26 Uhr an der Landwehr – gerade einmal vier Minuten später als geplant. Alles gut gegangen. Doch schon die nächste Bahn kündigt sich auf der Anzeigetafel mit einer Verspätung von zehn Minuten an: Ein Styrumer Paar mit Kinderwagen verlässt entnervt die Haltestelle.