Mein Patenkind stöhnt am Telefon: „Meinen Wochenend-Besuch bei euch müssen wir verschieben, ich habe so viel zu tun.“ Das Kind ist nicht etwa im mittleren Management eines erfolgreichen Unternehmens beschäftigt und hat sich fürs Wochenende ganz viel Arbeit mit nach Hause genommen. Nein, das Kind ist zarte 15 Jahre alt, in der neunten Klasse eines Gymnasiums und hat einen Berg Hausaufgaben zu bewältigen. Sie ist eine
G-Achtlerin, also eine, die nach zwölf Jahren ihr Abitur baut. Dabei hat meine Kleine, alles zusammengerechnet, mit Sicherheit eine 40-Stunden-Woche. Wenn nicht sogar mehr. Respekt, die tarifliche Arbeitszeit vieler Arbeitnehmer ist geringer.
Und nun liegen die Ergebnisse der Abiturienten 2013 vor. Dank des doppelten Abiturjahrgangs historisch einmalig, können die Notendurchschnitte von Absolventen, die nach 13 Jahren und von denen, die nach zwölf Jahren die Hochschulreife erlangt haben, verglichen werden. Siehe da: Es ergeben sich keine großen Unterschiede zwischen G8- und G9-Abiturienten. Die, die in kürzerer Zeit den gleichen Stoff pauken und die gleichen Prüfungen ablegen mussten, schneiden nicht schlechter ab. Das ist doch Anlass zum Jubel, der Plan scheint aufgegangen zu sein, das Konzept G8 kann so bleiben, wie es ist. Ja, und endlich laufen jetzt und künftig nicht mehr so olle Studenten an den Unis herum. Was die Befürworter des Turbo-Abiturs ja immer als Pro-Argument ins Feld führten. Deutschland steht im europäischen Vergleich nicht mehr hintenan – bloß: Sind die Schul- und Studiensysteme in Europa wirklich mit dem in Deutschland vergleichbar?
Ich meine, G8 kann nicht so bleiben: Wenn schon Abitur nach zwölf Jahren, dann müssen Lehrpläne tatsächlich verschlankt werden. Es kann nicht sein, dass Teenager keine oder nur noch wenig Zeit für ihre Freizeit-Aktivitäten haben. Oder für ehrenamtliches Engagement. Noten sind nicht alles; und Zeit zu haben, ist kein Luxus, sondern notwendig.