Eine neue Schulform soll in Oberhausen gegründet werden – wie in 14 weiteren Kommunen des Landes Nordrhein-Westfalen, die sich um die Teilnahme am Schulversuch Primus bewerben.

Ich habe schon die ironischen „Hurra“-Rufe der Kritiker in den Ohren: Toll, noch eine zusätzliche Schulform im dreigliedrigen Schulsystem plus Gesamtschule. „Damit es vollends unübersichtlich wird“, lästern die Gegner. Und ob die SPD nicht angetreten sei, dass Schulsystem zu verschlanken? Angesichts solcher Unkenrufe müssen 75 Eltern den Mut haben, sich trotzdem für die Primusschule zu entscheiden.

Und dafür gibt es gute Gründe: An dieser Schule lernen Kinder von der Stufe eins bis zehn unter einem Dach. Sie bleiben durch die Jahrgänge in ihrem Klassenverband. Damit entfällt eine schwierige Entscheidung, die Eltern und Schüler normalerweise in Klasse vier zu treffen haben: Auf welche weiterführende Schule soll es gehen? Nun gibt es ja tatsächlich Kinder, bei denen die Laufbahn eindeutig vorgezeichnet ist, die früh durchstarten, die sich in einem großen Schulsystem gut zurechtfinden. Aber es gibt mehr Viertklässler, für die dieser Übergang – neue Lehrer, neues Gebäude, neue Klasse – und die frühzeitige Festlegung auf Gymnasium, Real- oder Hauptschule (die es hier bald nicht mehr gibt) problematisch ist. Das wissen Eltern, das belegen die Erfahrungen der Lehrer. Nicht umsonst gibt es in Oberhausen ein Netzwerk-Projekt, dass diesen Übergang von der Grundschule auf weiterführende Schulen besser gestalten soll.

Dieser Übergang, den Sabine Schumann, die mit Leidenschaft für die Primusschule werbende Leiterin der Ruhrschule, „dramatisch“ nennt, würde also wegfallen. Für die Schüler bedeutet das Kontinuität und feste Bezugspersonen – und Zeit zur Entwicklung. Das Konzept der Primusschule listet in der Theorie noch mehr gute Argumente auf: individuelle Förderung, Schule auch als Lebens- und nicht nur als Lernort, . . . Ob das in der Praxis funktioniert, ist allemal einen Versuch wert. Der ja auch auf Erfahrungen in anderen Ländern bauen kann.

Am Ende braucht es gar nicht so viel Mut, sich für die Primusschule zu entscheiden.