Oberhausen. Die Biologische Station Westliches Ruhrgebiet am Haus Ripshorst feiert ihren ersten runden Geburtstag.

Von wegen Grau in Grau – eigentlich ist es ja unerwartet grün hier im Millionen-Ballungsraum Ruhrgebiet: Wälder und Parks, Seen und Flüsse, Pflanzen an Straßenrändern und Industriebrachen. Es gibt sie also doch, die Natur mitten in der Stadt – und mit der beschäftigt sich die Biologische Station am Haus Ripshorst, die am Samstag ihren ersten runden Geburtstag feiert.

Mittelstreifen der A 40 kartiert

Eine ganz besondere Form der urbanen Vegetation hatten die Natur-Experten beim „Stillleben“ der Ruhr.2010 auf der A40 im Visier: den Autobahn-Mittelstreifen. „Wir haben es geschafft, mit 70 Botanikern den kompletten Mittelstreifen auf der A40 zu kartieren – von Duisburg bis nach Dortmund“, erzählt Leiter Peter Keil, der die Biologische Station von der Geburtsstunde an begleitet hat. Eine einmalige Möglichkeit: „Sonst kann man ja nur dann einen intensiveren Blick auf den Mittelstreifen werfen, wenn man gerade mal wieder im Stau steht.“ Und siehe da: über 400 Pflanzenarten wachsen auf dem Autobahn-Grün – ein Fünftel der gesamten Flora in NRW. Besonders zieht es salzliebende Pflanzen auf den Ruhrschnellweg, Streusalz sei Dank.

Ein ausgefallenes Projekt – und für Peter Keil einer der Höhepunkte in zehn Jahren Biologischer Station. Darin spiegelt sich auch deren Besonderheit: Hier geht es um Naturschutz inmitten des Ruhrgebiets, in dem sich Millionen von Menschen auf engstem Raum tummeln. „Man glaubt es eigentlich gar nicht – aber das Ruhrgebiet ist unglaublich artenreich“, erklärt Keil. „Ein Hotspot der Artenvielfalt.“

Und das, obwohl Bergbau, Hüttenindustrie & Co. die Natur stark gebeutelt haben: Tierarten sind verschollen oder ausgestorben, es gibt so gut wie keine Moore mehr, auch Heidelandschaften sind im Ruhrgebiet weitestgehend verschwunden. „Im Grunde ist hier kein Stückchen Quadratmeter mehr unbeeinflusst. Es sind viele Lebensräume kaputt gegangen“, erklärt Keil.

Lebensräume auf Industriebrachen

Doch sind auf den Trümmern der Ruhrgebiets-Industrie auch neue Lebensräume entstanden: Inmitten von Kokerei-Rückständen und Schlackeresten haben sich neue Pflanzen- und Tierarten angesiedelt. „Einige wenige haben den Sprung aus ihrem ursprünglichen Lebensraum geschafft – im Grunde ist auf den Industriebrachen ein ganz neues Ökosystem entstanden.“

Im Mittelpunkt der Arbeit der Biologen, Biogeografen und Landschaftsökologen steht deshalb: Was kann ich der Natur hier Gutes tun? „Wir beschäftigen uns mit dem, was noch übrig ist und schauen: Wie können wir die Reste dauerhaft erhalten?“

Und zwar über die Stadtgrenzen hinweg. „Die Natur richtet sich nicht nach politischen Grenzen – Tiere nicht, und Pflanzen schon gar nicht“, sagt Keil.

So will die Biologische Station Westliches Ruhrgebiet ihr Netzwerk in Zukunft auch ausweiten: Bislang ist sie zuständig für Oberhausen, Duisburg und Mülheim, jüngst ist Bottrop hinzugekommen, jetzt soll auch Essen gewonnen werden. „Dann ist es wirklich das gesamte westliche Ruhrgebiet – und wir haben den Blick auf das große Ganze.“

Gefördert vom Land NRW

Zu 80 Prozent wird die Biologische Station Westliches Ruhrgebiet vom Land Nordrhein-Westfalen gefördert.

Die restlichen 20 Prozent teilen sich die daran beteiligten Städte Oberhausen, Mülheim, Duisburg und Bottrop, der Regionalverband Ruhr und die Emschergenossenschaft.